Der richtige Ton,  Was mit Medien

KW 10/2024: Dune: Part Two, True Detective, Hurray for the Riff Raff, The Terrys, Die Messias und die Verwandlung

Happy Sunday!

Geschichte richtig einzuordnen ist schwieriger, als manche es glauben wollen. Mit heutigen Maßstäben kann und sollte man sie nicht messen, man muss immer auch die Umstände berücksichtigen, den gesellschaftlichen und historischen Kontext. Bei den Roman-Besprechungen schreibe ich immer gerne die Nationalität des Autors dazu, um eine grobe Einordnung zu geben, wo jemand sozialisiert wurde. Vor zwei Jahren fiel mir das schon bei Vladimir Nabokov schwer. Unzweifelhaft ein gebürtiger Russe, lebte er aber seit seinem 18. Lebensjahr in Westeuropa und in den USA, wo er schließlich auch Lolita verfasste.

Franz Kafka dagegen wurde in Prag geboren, verbrachte dort auch den Hauptteil seines Lebens und sein Grab befindet sich auch dort. Also ist er Tscheche? Seine Muttersprache war jedoch Deutsch, Prag gehörte zu dieser Zeit zu Österreich-Ungarn und er starb in Österreich. Also ist er Österreicher? Die größte Zeit seines Lebens gab es dieses Land nicht in der uns heute bekannten Form. Ich habe mich nun dazu entschlossen, seinen Lebensmittelpunkt nach heutiger politischer Gliederung einzusortieren, wohl wissend, dass ihm das vermutlich nicht gerecht wird.

Nun denn, heute geht es im medialen Wochenrückblick demnach also um Tschechien, Australien, Deutschland, Österreich, die USA und Arrakis.

In meiner Schulzeit bin ich um die Lektüre von Die Verwandlung herum gekommen. Aber im Angesicht des baldigen Wochenendes in Prag und dem hundersten Todestag von Franz Kafka war es nun doch mal an der Zeit, diese Wissenslücke zu schließen. Die Erzählung ist in der elektronischen Variante mittlerweile überall kostenfrei zu bekommen.

Franz Kafka – Die Verwandlung (Tschechien, 1912) – 8 von 10

Klappentext: Die berühmteste Erzählung Franz Kafkas berichtet von Gregor Samsa, der eines Morgens nicht mehr als Mensch, sondern als hässliches „Ungeziefer“ erwacht. Kafkas Verwandlung ist die groteske Parabel einer stillen Revolte gegen die Unmenschlichkeit. In Tiergestalt hält Gregor Samsa der Welt den Spiegel vor. Ein schweigender Protestschrei, der am Ende ohnmächtig bleibt, aber bis heute eines der aufregendsten Werke der Weltliteratur.

Review: Gregor erwacht eines Morgens als Ungeziefer. Das ist einfach so und wird auch nie weiter hinterfragt oder erklärt. Kafka etabliert die Ausgangssituation gleich im ersten Satz. Gregors Umgang damit und der Umgang seiner Familie mit ihm ist das Thema der Erzählung und mehr als einmal habe ich mich ungläubig gefragt, ob die Geschichte wirklich schon über 100 Jahre alt sein kann. Gregor hat (sehr vereinfacht gesagt) starke gesundheitliche Probleme und seine erste Sorge ist, wie er das jetzt wohl mit der Arbeit machen soll? Schon damals hatte man wohl die Angst, in seinem Arbeitssystem nicht mehr zu funktionieren. Und dann seine Rolle in der Familie. War er vor seiner Metamorphose der Ernährer von Eltern und Schwester und der Dreh- und Angelpunkt der Familie (immerhin führten alle Wege in der Wohnung in sein Zimmer), wird er von ihnen nun einfach fallengelassen, als er keinen Nutzen mehr erbringt und nur noch eine Last ist, die in seinem Zimmer haust. Er wird von ihnen ausgegrenzt und bestenfalls ignoriert, und als er schließlich stirbt, einfach entsorgt. Seine Schwester indes profitiert von seinem Schicksal, sie macht ebenfalls eine Verwandlung durch und blüht in dieser Zeit regelrecht auf. Gregor zieht sich immer mehr in sich zurück, ekelt sich vor sich selbst und mag nicht mehr essen. Er versteht noch alles, was um ihn herum passiert, kann sich aber nicht mehr mitteilen. Was als Erklärung seine Verwandlung in Ungeziefer ist, könnten genausogut mentale Probleme sein.

Lesen lässt sie Die Verwandlung wunderbar leicht. Die Sorge, sich bei älteren Texten in furchtbaren Satzkonstruktionen zu verlieren oder an einer veralteten Sprache zu scheitern, ist hier völlig unbegründet. Ob man den Inhalt jedoch während der Schulzeit schon komplett erfassen kann, ohne eigene Erfahrungen oder beobachtungen über die Rolle in der Gesellschaft gemacht zu haben, kann man zumindest hinterfragen.

Fazit: Skurille Geschichte mit überraschend vielen, aktuellen Anknüpfpunkten.

True Detective: Night Country (Staffel 4, 6 Folgen, USA, Sky on Demand) – 7 von 10

Mit der Fortsetzung dieser Antholgieserie war nicht unbedingt zu rechnen. Die letzte Staffel erschien 2019 und folgte bereits erst vier Jahre nach der zweiten Staffel. Nun also eine Pause von fünf Jahren, bis man dieses Mal Jodie Foster als Leiterin einer kleinen Polizeibehörde in Alaska ermitteln lässt. Sie bekommt es mit dem Verschwinden einiger Männer aus einer arktischen Forschungsstation zu tun, die man schließlich tot im Eis wiederfindet (nebenbei gesagt in einem wesentlich kleineren Leichenberg als in Oderbruch). Foster und die anderen Ermittelnden (Kali Reis als indigene Polizistin und Finn Benneett als Nachwuchspolizist) stehen in der Staffel klar im Vordergrund und machen die Staffel eher zu einem Drama als zu einer Crime-Serie, wodurch sich ein Vergleich mit der Serie Mare of Easttown auf tut. Bei einer Beurteilung ihrer beruflichen Fähigkeiten würde ich die Ermittelnden allerdings als die schwächsten der Serie bisher einstufen. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Auflösung schließlich etwas unbefriedigend wirkt, weil ihre Herleitung nicht unbedingt gut funktioniert. Die Erklärung selbst ist passend und definitiv gelungen. Daneben lebt die Staffel aber ähnlich wie ihre Vorgänger auch von der Atmosphäre. Auch wenn man das Motiv der ewigen Nacht in Alaska nur wenig ausspielt, ist Night Country in dieser Hinsicht doch stimmig und definitiv lockerer als die schweren früheren Staffel. Dazu trägt auch der starke Einsatz von Popmusik bei. Neben dem immer wieder auftauchenden Twist & Shout muss man hier auch den Titeltrack von Billie Eilish erwähnen. Die Staffel ist insgesamt daher schon gut, kann sich aber dem Vergleich mit der legendären ersten Staffel (meiner Serie des Jahres 2014) nicht entziehen. Aber der Wechsel des Showrunner-Posten von Serienentwickler Nic Pizzolatto zu Issa López hat auf jeden Fall frischen Wind in diese Serie gebracht.

Wir alle mussten die Sanduhr häufiger umdrehen als erhofft, aber erst jetzt kam Dune: Part Two endlich in die Kinos. Selbst die Kinos machten sich über uns und die Wartezeit lustig und ließen in den letzten Wochen immer mal wieder den Trailer mit dem falschen Abbinder „November 2023“ laufen. Sei es drum, am Montagabend war es soweit und ich sah den von mir am sehnsüchtigsten erwarteten Blockbuster des Jahres. Die direkte Fortsetzung meines Kinofilm des Jahres 2021.

Dune: Part Two (USA) – 8 von 10

Für solche Filme sind Kinos gemacht! Regisseur Denis Villeneuve nutzt die gesamte Größe der Leinwand und zaubert epische Bilder auf eben diese und unterlegt sie mit dem beeindruckenden Sound von Hans Zimmer. Das ist buchstäblich großes Kino und die Fortführung der alten Monumentalfilme mit heutigen Mitteln. Nicht minder groß ist die Story um Paul Atreides (Timothée Chalamet), dem Messias wider Willen, der sich seinem Schicksal nicht entziehen kann – und dem in einer Szene starke Das Leben des Brian Vibes entgegen schlagen. Lustig ist hier indes jedoch nichts. Chalamet und Zendaya stapfen dermaßen freudlos durch die beeindruckende Szenerie, dass sie damit unmissverständlich klar machen: Sie sind nicht zum Spaß hier. Hier ist alles episch und schicksalsträchtig – und das macht den Film nur noch größer. Dankenswerterweise wurde deshalb auf sämtliche Auflockerungen und One-Liner verzichtet, die das Ganze hätten bekömmlicher machen können. Warum sollte es für das Publikum auch verträglicher sein als für die Helden auf der Leinwand? Trotzdem hatte mich Dune: Part One mehr beeindruckend. Dort war die Szenerie noch abwechslungsreicher und die Geschichte klarer. Hier fehlt es den zweifelsfrei großen Szenen oft etwas am Zusammenhang, trotz einer Laufzeit von 166 Minuten macht die Handlung immer wieder kleine Sprünge. Die Harkonnen (Austin Butler und Stellan Skarsgård) als Gegenspieler sind mir in ihrer Haarlosigkeit zu schlicht und comichaft geraten. Aber das ist ein meckern auf hohem Niveau, denn auch Dune: Part Two ist ein Ereignis und festigt Villeneuve Stellung als herausragender Umsetzer von Science-Fiction Stoffen.

Die Toten vom Bodensee: Die Messias (Deutschland/Österreich, 2024, ZDF) – 6 von 10

Der neunzehnte Film der Reihe setze endlich die neue Inspektorin Luisa Hoffmann (Alina Fritsch) etwas mehr in den Vordergrund und erzählte eine durchaus interessante Vorgeschichte zu ihrer Figur, die sich ganz aktuell auf den Fall der Woche auswirkt. Letzterer befasst sich mit der Klassikmusik-Szene und sündhaft teuren Instrumenten – wie die titelgebende Messias – und sorgt zwar bei Hauptkomissar Oberländer (Matthias Koeberlin) für etwas Kopfzerbrechen, aber leider nicht für ein nachhaltig interessanten Mordfall.

The Terrys (Australien) – München, Strom

Wie auch schon im vergangenen Jahr brachte das Live-Konzert von The Terrys sehr viel Spaß nach München. Die Halle war dieses Mal etwas größer und etwas besser gefüllt, aber erneut hatten Publikum und Band eine gute Zeit. Und offenbar haben sie es bereits geschafft, sich einige Ultra-Fans zu erspielen, denn diese feierten wirklich so gut wie jeden Song ab. Es wurde gesungen, gehüpft und gepogt und auf und vor der Bühne Bier konsumiert. Und mit Silent Disco haben sie bereits einen richtigen Hit im Portfolio, der auch außerhalb ihrer Konzerte zu jeder guten Indie-Disco gehören sollte. Falls sie im nächsten Jahr erneut den weiten Weg aus Australien nach München antreten würden, ich würde sie wieder in Empfang nehmen.

In Ermangelung guter Live-Clips verlinke ich für euch noch einmal die Albumversion von Silent Disco. Laut hören bitte!

Wer hätte gedacht das mit The Navigator von Hurray for the Riff Raff im Jahr 2017 einer meiner persönlichen Alben-Klassiker erschienen ist? Mir war das damals nicht bewusst, aber dieser Mix aus Americana mit leichten lateinamerikanischen Elementen erwies sich als äußerst langlebig. Nun ist mit The Past is Still Alive das neue Album von Alynda Segarra, dem kreativen Kopf hinter diesem Musikprojekt erschienen. Nach den ersten Hördurchgängen ist dieses Album konventioneller und stärker im US-Sound verankert, weiß aber trotzdem zu gefallen. Hawkmoon ist mein Reinhörtipp für das Album.

Gesehene Spiele in dieser Saison: 20 von 25 Liga-Spielen = 80%.

Nach den beiden 4:0 Siegen in den Vorwochen setzte es nun 0:1 Auswärtsniederlage beim Tabellenzweiten Holstein Kiel. In einem über weite Strecken recht ausgeglichenen Spiel erzielten die Kieler den Treffer des Tages durch einen abgefälschten Distanzschuß. Unglücklich, aber nicht unverdient. Träumereien über einen Aufstieg sollten rund um den Wildpark dadurch einen herben Dämpfer bekommen haben.

Ich werde mich davon am nächsten Wochenende persönlich überzeugen, denn dann bin ich auch mal wieder im Stadion.

  • Deadlines: Diese Woche war es eine echte Herausforderung, meine selbstgewählte Deadline zu halten. Freitagabend war das Konzert, Samstagabend ein Geburtstag und der Text zu Die Verwandlung wollte einfach nicht fließen. Nächste Woche wird es dagegen mit Ansage später: Ich will noch meine Rückfahrt aus Karlsruhe abwarten, um dazu kurz etwas darüber zu schreiben.
  • 25 Jahre Performance and Cocktails: Der Blog Coffee and TV huldigt dem alten Stereophonics-Album, welches auch bei mir damals ständig im CD-Player rotierte.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und habt einen guten Start in die neue Woche!

7 Kommentare

  • sori1982

    „Die Toten vom Bodensee“ habe ich mir auch angesehen. Ich vernachlässigte die letzten Folgen, weil bei mir die Luft raus war. Aber ein gehörloses Kind sorgte dafür, dass ich mir diesen Krimi wieder gönnte. Ich fand es auch okay, aber nicht brillant gemacht.

    • Nummer Neun

      Ah ja, das ist eine der interessanteren Facetten der neuen Figur. Leider hat der Wechsel aber von ihrer Vorgängerin auf Alina Fritsch nicht so ganz geklappt, die alte Konstellation war irgendwie spannender.

  • bullion

    Die Beobachtung, dass die Harkonnen fast schon zu comichaft angelegt sind, hatte ich auch gemacht. Insofern eine sehr gute Beobachtung, die ich sonst kaum an anderer Stelle gelesen habe.

    • Nummer Neun

      Mir ist das im Kino ja tatsächlich auch so aufgefallen. Die Glatzköpfigen, diese starke schwarz-weiß Optik vor allem in der (beeindruckenden) Stadionszene, und diese stumpfe Gewalt, deren Motive mir nicht so ersichtlich waren. Im Gegensatz zu den Fremen war das schon sehr platt. Und jetzt schließt sich der Kreis: Den passenden Ausdruck „comichaft“ habe ich zunächst bei dir gelesen und dann wohl schlicht unbewusst übernommen.

  • S.Mirli

    Ich hinke momentan etwas hinterher und bin ich ganz up to date, also sorry dafür.
    Ich habe „Die Verwandlung“ tatsächlich damals in der Schule gelesen und habe leider kaum noch Erinnerung daran, was ich aber definitiv sagen kann bzw. dir zustimmen, dass Kafka alles andere als mühsam zu lesen ist. Egal ob damals oder heute. Viel Spaß in Karlsruhe, was auch immer man dort macht 😉 Guten Start in die Woche auf alle Fälle, alles Liebe, x S.Mirli!
    https://www.mirlime.at

Was sagst du dazu? Aber denke dran, deine Mail- und IP-Adresse wird gespeichert und auch Gravatar liest mit. Ist das ok? Dann kommentiere

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.