Die 10 besten Romane der 2010er Jahre
War schon die Headline für den Eintrag zu den deutschsprachigen Filmen recht hoch gegriffen, lege ich jetzt noch einen drauf. Die besten Romane der 2010er Jahre? So viele habe ich doch von denen gar nicht gelesen.
Kann man denn unter diesen Voraussetzungen eine Liste mit den besten Romanen der letzten 10 Jahre überhaupt schreiben? Kann man nicht. Aber das ist das Internet, wir schreiben das Jahr 2020. Die Diskussionskultur ist tot, jede Meinung ist nicht verhandelbar und absolutistisch. Daher kann ich nun voller Stolz und mit einem gesunden Maß an Gewissheit verkünden:
Die zehn besten Romane, geordnet nach Erscheinungsjahr, sind (Hinweis: Die Liste wurde das letzte Mal im April 2021 überarbeitet):
Thomas Willmann – Das finstere Tal (2010)
(Originaleintrag) Ein Western! In den Alpen! Muss man noch mehr sagen? Ja. Das tolle Setting ist die Kulisse für eine spannende Rachegeschichte in einem abgeschiedenen Winkel der Welt. Der Leser wird immer tiefer hinein gezogen in den Strudel der Gewalt und in die Kälte der Alpen. Eines der spannendesten Bücher der letzten Jahre.
Wolfgang Herrndorf – Tschick (2010)
(Originaleintrag) Ein Roadmovie voller großer und kleiner Abenteuer für die beiden jungen Protagonisten. Das besondere: Herrndorf lässt die Geschichte vom Jugendlichen Maik in seinen Worten erzählen. Was schnell peinlich werden kann, meistert er aber perfekt – die Sprache wirkt lebendig und authentisch.
Jonathan Franzen – Freiheit (2010)
(Originaleintrag) Wenn man sich die Essaysammlung von Franzen mal durch gelesen hat, wird einem auffallen, dass er sehr von dem Genre des Gesellschaftsromans fasziniert ist. Genau in dieses Segment würde ich auch Freiheit zählen. Anhand einer recht kleinen, völlig unepischen Geschichte skizziert er ein durchschnittliches Leben in Nordamerika. Und das sprachlich in so einer leichfüßigen Form, dass die Seiten nur so vorbei fliegen. Innerhalb kürzester Zeit lernt man die handelnden Personen so gut und intensiv kennen, als würde man sie schon ein lebenlang begleiten. Die Faszination des Alltags!
Jonas Jonasson – Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand (2011)
(Originaleintrag) Die ideale Urlaubslektüre. Leicht und luftig springen wir durch die Lebensgeschichte des Hundertjährigen, der immer wieder in Berührung kommt mit den großen historischen Ereignissen. Forrest Gump lässt grüßen. Das ist ab und an etwas sehr kostruiert und gewollt skurill, aber die einzelnen Episoden sind nie zu lange, als dass man sich langweilen würde. Das Buch war ein großer, internationaler Erfolg, zog eine Verfilmung nach sich und viele Abklatsche. Vor allem die Art des Titels war eine zeitlang äußerst populär.
Robert Seethaler – Der Trafikant (2012)
(Originaleintrag) Zusammen mit dem unbedarften Franz wird der Leser in das Wien kurz vor dem Anschluß an Nazi-Deutschland geworfen. Seine beiden Mentoren, der Trafikbesitzer Otto und der Psychoanalytiker Freud, geraten beide ins Visier der Nazis, bis es für Franz an der Zeit ist, endgültig erwachsen zu werden. Sowohl die Coming-of-Age Geschichte des Landburschen Franz, als auch die politische Dimension des Romans überzeugen und bilden den Rahmen für eine dramatische Geschichte.
Harald Gilbers – Germania (2013)
(Originaleintrag) Ein düsterer Thriller in Berlin zur Endphase des zweiten Weltkrieges. Was wie eine finale Staffel von Babylon Berlin klingt ist ein spannender Thriller in einer dunklen Phase der deutschen Geschichte. Bedient wird sich dabei sozusagen bei einer Variation des Cop-Movies: Ein jüdischer Ex-Kommisar und ein regimetreuer SS-Mann bilden ein ungleiches Ermittler-Duo, das immer mehr zusammen wächst. Sozusgen ein klassisches Szenario, mit einem menschenverachtenden, realen Hintergrund.
Robert Seethaler – Ein ganzes Leben (2014)
(Originaleintrag) Der zweite große Roman von Seethaler. Wobei die Geschichte selbst alles andere als groß ist. Es ist die Lebensgeschichte eines einfachen Mannes in den Bergen, zufrieden mit sich und seinem Schicksal. Kein Streben nach mehr, keine schlechten Leute, die ihm übel mitspielen wollen. Simpel und bodenständig – der Gegenentwurf zu unserer modernen Welt.
Colson Whitehead – Underground Railroad (2016)
(Originaleintrag) Zugegeben, der allergrößte Fan des Romans war ich nicht. Whitehead schreibt hier über die Geschichte der Sklaven im Amerika des 19. Jahrhunderts und begleitet seine Hauptfiguren bei dem erfolglosen Versuch, der Unmenschlichkeit zu entkommen. Das ist ein starkes Setting der Geschichte, deren Tragik nichts von seiner Eindrücklichkeit verloren hat und immer noch aktuell ist. Inhaltlich und sprachlich war dagegen noch etwas Luft nach oben.
Taylor Jenkins Reid – Daisy Jones & The Six (2019)
(Originaleintrag) Die Geschichte einer fiktiven Band in der Ära der großen, amerikanischen Rockbands überzeugt sowohl durch den spannenden und abwechslungsreichen Inhalt, als auch durch die formale Struktur, wird die Geschichte doch mit Hilfe von Interviews aufgedeckt. Ein Roman wie eine Musik-Doku über die eigene Lieblingsband.
Benjamin Keck – Die ersten Monate (2020)
(Orignaleintrag) Manchmal braucht man einfach das richtige Timing. So wie Keck’s Roman über den Ausbruch einer Pandemie, die Europa ins Chaos stürzt. Nur weniger Monate nach dem Corona-Ausbruch erschienen, bedient sich der Roman an vielen realen Begleiterscheinungen und spinnt sie drastisch weiter. Daraus wird dann natürlich keine Hochkultur, aber ein spannender und locker erzählter Guilty Pleasure Roman. Als hätte Nick Hornby auf einem The Walking Dead Comic geschlafen
***
So weit meine literarischen Highlights des letzten Jahrzehnts mit einem überraschend hohen Anteil an deutschsprachigen Autoren. Das Land der Dichter und Denker. Einige von diesen Romanen wurden bereits verfilmt, mal mehr oder mal weniger erfolgreich.
In dem Zusammenhang habe ich übrigens auch endlich mal wieder meine Bücherliste auf den neusten Stand gebracht. Und zum Abschluß noch diese Frage: Wie man sieht, habe ich durchaus noch Nachholbedarf, was die Romane der letzten Jahre angeht. Ich freue mich daher über jeden Lesetipp in den Kommentaren. Deshalb:
Welche aktuellen Romane haben euch in den letzten Jahren begeistert?
6 Kommentare
Nicole
Germania muss ich mir mal merken, das hört sich nämlich richtig interessant an und hochaktuell. Kannte ich gar nicht, der Roman ist auch komplett an mir vorbei gegangen, aber ich muss gestehen, dass ich eher Thriller, Krimis und Fantasy lesen :D. Bin da nicht ganz so genre offen wie bei Filmen und Serien.
Dankeschön für dein liebes Kommentar :). Wobei ich aus der Auflistung echt Britanny runs a Marathon und Die Berufung empfehlen kann 😀 Die fand ich richtig stark.
Bei Dracula stimmen wir komplett überein. Bei mir war das auch eher Kampf als Freude, obwohl ich das Genre ja liebe. Aktuell habe ich nur Sky Cinema durch ein Angebot der Telekom. Sky Ticket für Serien werde ich mir erst holen, wenn dann die neue Westworld Staffel komplett dort zu sehen ist.
Nummer Neun
Dann passt Germania aber ganz gut, ist ja ein ganz klassischer Krimi. Mittlerweile gibt es dazu glaube ich auch noch Fortsetzungen mit den gleichen Personen, vielleicht wage ich mich da demnächst auch wieder ran.
Wörter auf Reise
Tschick war mir zu überhypt. War vom übertrieben jugendlichen Schreibstil genervt und allgemein… irgendwie konnte es mir nicht packen. Von den anderen habe ich keins gelesen.
Aus den letzten Jahren mochte ich aus sehr The Hate U Give und Zerrissene Erde. Ansonsten aus Deutschland hat mir „Die Hungrigen und die Satten“ sehr gut gefallen.
Alles Liebe
Nadine
Nummer Neun
Ja das kann ich verstehen – bei mir hatte die Sprache bei „Tschick“ dagegen halt recht gut gezündet.
Miss Booleana
Ha – spannende Liste! Von Seethaler möchte ich bald auch endlich mal was lesen, zumal der bei uns im Buchclub recht beliebt zu sein scheint. Noch weiß ich nicht so richtig, womit ich anfangen will. Ist das Buch da oben ein guter Seethaler-Einstieg?
„Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ habe ich tatsächlich gelesen und fand es sehr amüsant. Aber auch gleichzeitig sehr uncharmant wie stark die Kuh danach weiter gemolken wurde. „Das finstere Tal“ kenne ich durch die Verfilmung und fand die echt sehr gut und zu unbeachtet. „Tschick“ steht auch noch auf meiner To-Read-Liste …
Oh je … bei deutschen Autoren und Neuerscheinungen bin ich ja nicht so firm muss ich zugeben. Lese so kreuz und quer. Da muss ich schon Goodreads bemühen. Die besten Bücher der letzten zehn Jahre waren für mich wohl Bernhard Schlinks „Olga“, Klaus Cäsar Zehrers „Das Genie“ und wohl Hanya Yanagiharas „Ein wenig Leben“. Sind jetzt offenbar nicht nur deutsche Autoren und v.A. letzteres Buch kann man auch leidenschaftlich hassen, aber die stechen für mich etwas heraus aus meiner Liste gelesener Bücher. Auch Sarah Kuttners „Kurt“ fand ich ganz schön, wenn ich mir auch nicht sicher bin, ob es in diese Liste mit dem großen Titel passt. Da wird mir aber v.A. erstmal bewusst wie „alt“ die Bücher sind, die ich so lese. Manga und Comics habe ich jetzt übersprungen … da lese ich aber offenbar aktueller.
Nummer Neun
Sowohl „Der Trafikant“ als auch „Ein ganzes Leben“ sind tolle Bücher. „Der Trafikant“ ist vielleicht das relevantere Werk und hat auch eine mittelmäßige Verfilmung bekommen. „Tschick“ ist halt ein richtiges Jugendbuch – darauf muss man sich ein wenig einlassen, dass die Jugendsprache ja recht flüchtig ist und schon ein paar Jahre später etwas seltsam klingt…
Von deinen Büchern kenne ich tatsächlich nichts. Faszinierend bei Büchern finde ich ja, dass sie das Medium sind, was wohl am zeitlosesten ist. Wie du schon sagst, dir war es gar nicht so bewusst, wie „alt“ die Bücher sind. Das würde einem bei Filmen und Serien wohl nicht passieren und auch bei Musik nicht unbedingt in dieser Form.