Was mit Medien

Fantasy Filmfest White Nights 2024

Es war mal wieder Fantasy Filmfest-Zeit! Die White Nights standen auf dem Programm. Gönnte ich mir im vergangenen Jahr noch die Dauerkarte und sah zehn Filme in nur zwei Tagen (und war nach zwei Tagen Dauereinsatz der Klimaanlage super erkältet), griff ich dieses Mal nur bei ausgewählten Filmen in Form von Einzeltickets zu. Mut zur Lücke oder realistische Selbsteinschätzung? Die Standards hatte ich jedenfalls abgedeckt: Es gab es das koreanische Blockbuster-Kino, das düstere Drama, die skurille Komödie und den neusten Nicoals Cage Film.

Ob meine Vorselektion gelungen war, das lest ihr nun:

Alienoid: Return to the Future (Südkorea) – 7 von 10

Als vor zwei Jahren am Ende von Alienoid die Hinweistafel aufploppte: To be continued – war die Reaktion im Saal darauf gemischt. Einerseits war der Film sehr schrill und unterhaltsam (bei mir gab es eine 8/10), andererseits war es vorab nicht klar, dass man sich hier auf einen Zweiteiler eingelassen hatte. Nun gab es also endlich die Fortsetzung und ganz ehrlich: Die wilde Story von damals hatte wohl niemand so mehr richtig im Kopf. Aliens, Roboter, Zeitreise – der erste Film war voll von knalligen Motiven. Da war es vielleicht von Regisseur Choi Dong-hoon ganz gut, den zweiten Teil erst einmal etwas ruhiger beginnen zu lassen und zunächst im 14. Jahrhundert sich die alten Figuren wieder sammeln zu lassen. Das sah gut aus, war aber auch zunächst etwas lahm. Erst mit der Rückkehr in die Gegenwart nahm die Story wieder Tempo auf. Der Film mündet schließlich in einem Avengers-ähnlichen Kampf um das Schicksal der Menschheit – was nach der ganzen Herleitung dann aber doch fast nur im Marvel-Einerlei landet. Wer aber das gerne mal in einem anderen Umfeld sehen möchte, ist bei Alienoid jedoch trotzdem ganz richtig, denn für die sieben Punkte reicht es bei mir noch knapp.

Dream Scenario (USA) – 9 von 10

Wenn man einen so bekannten Schauspieler wie Nicolas Cage in seiner Rolle vergisst, dann sagt das einiges über seine Leistung aus. Hier spielt er den biederen College-Professor Paul, unsicher, unscheinbar und mit lichtem Haupthaar, der völlig unerwartet seine fünfzehn Minuten Ruhm erhält. Denn er erscheint auf einmal in den Träumen aller Menschen. Zwar bleibt er dort untätig, aber er ist da und die Träumenden erinnern sich an ihn. Er ist eine Art Traum-Influencer. Und dieser Ruhm schmeichelt ihn und macht etwas mit ihm. Bis die Träume der Menschen auf einmal in Albträume kippen und er zur unerwünschten Person wird. Paul (Cage) kann weder für das eine noch für das andere etwas, ist aber trotzdem der Stimmung der Masse ausgesetzt. Und es relativ offensichtlich, dass dieses fantastische Element der Träume nur eine Metapher für die sozialen Medien sind, welche mit der Macht ihrer Schwarmemotionalität sich willkürlich ihre Ziele aussuchen und ihre Erwartungen auf das hilflose Subjekt projezieren. War Paul eben noch das Meme, dass von allen geliebt und geteilt wird, ist er auf einmal die Person, bei der sich andere Menschen unwohl fühlen. Pech gehabt. Sein Aufstieg ist dabei sehr unterhaltsam umgesetzt, sein Abstieg macht dagegen betroffen und hilflos. Die Idee ist clever, ohne zu verkopft zu sein, nur gegen Ende übertreibt es Regisseur Kristoffer Borgli vielleicht etwas, wenn er auch noch versucht, die Professionalisierung und Kommerzialisierung der Influencer mit einzubauen und findet das Ende des Films dadurch etwas zu spät. Aber das macht nichts, denn Dream Scenario ist bereits vorher ein Erlebnis.

Daaaaaali! (Frankreich) – 8 von 10

Seit Mandibles auf dem Fantasy Filmfest 2020 (8/10) bin ich ein kleiner Fan vom französischen Regisseur Quentin Dupieux. Handwerklich meist gut und dazu angenehm knapp erzählt, kennen seine Filme kaum kreative Grenzen. Das bedeutet nicht automatisch ein Highlight (Incredible But True bekam eine 6/10), ist aber immer recht unterhaltsam (Smoking Causes Coughing mit 7/10). In seinem neuen Film beschäftigt er sich mit dem spanischen Surrealisten Salvador Dalí. Und wie könnte ein Film über ihn anders sein als so? Der Film dreht Schleifen ohne Ende, springt in der Zeit hin und her, hüpft von Ebene zu Metaebene und von Traumsequenz zu Traumsequenz und lässt den Künstler gleich von fünf verschiedenen Schauspielern spielen und verwirrt damit nicht nur die Journalistin Judith (Anaïs Demoustier), die immer wieder versucht, mit ihm ein Interview zu führen. Jeder will etwas von ihm und sei es nur, um ihm seinen Traum mitzuteilen. Aber Dalí ist nur an sich interessiert, an sich und an seine Kunst. Das ist verwirrend, lustig, albern und unterläuft sämtliche Erwartungen an einen Kinofilm, aber erfüllt diese damit genau für diesen einen. Dalí starb übrigens 1989 – knapp 11 Monate, bevor Taylor Swift geboren wurde. Macht mit der Info was ihr wollt.

Red Rooms (Kanada) – 7 von 10

Mein letzter Film auf dem Festival war gleichzeit auch der düsterste. Dabei nimmt der Film eine andere Wendung, als es die Eröffnungssequenz noch vermuten ließ. Denn es ist nicht der triste, deprimierende Gerichtsfilm über ein unfassbares Verbrechen, der er anfangs vorgibt zu sein. Sondern es geht um das Publikum dieses Prozesses. Junge Frauen (Juliette Gariépy und Laurie Babin), die von True Crime fasziniert sind und sich mit dem Bad Boy – der in diesem Film wort- und profillos bleibt – emotional verbunden fühlen. Um das vorweg zu nehmen: Der Film hat es nicht geschafft, mir diesen Aspekt besser erklären zu können. Wenn man das jedoch akzeptiert, erhält man einen ungewöhnlichen Zugang zu diesem Verbrechen und dem Prozess. Gariépy ist dabei die zentrale Figur für das Kinopublikum. Sie ist intelligent und schön, sie ist eine Hackerin und sie modellt. Sie könnte überall Aufmerksamkeit bekommen, zieht sich emotional aber so zurück, dass sie nur im Internet voll aufgeht und sie nur die Aufmerksamkeit des Täters haben möchte. In dem Fall ist sie mehr involviert als ihr zusteht und ob das so einfach wirklich möglich ist, sei mal dahingestellt. Immerhin glorifiziert das Ende zum Glück nicht ihre Handlungen. Und auch das Verbrechen selbst wird nie für plakative Bilder missbraucht, denn letztlich geht es darum ja nicht in Red Rooms. So macht der Film vieles richtig, erzählt gut und kritisch einen ungewöhnlichen Nebenaspekt des True Crime Geschäfts, konnte aber mir seinen zentralen Punkt mit der Frage nach dem „Warum?“ nicht ganz vermitteln. Allerdings hat der Film trotzdem durchaus das Potential auch in ein paar Monaten noch im Kopf zu sein.

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Vier Filme in zwei Tagen und keiner davon hat enttäuscht? Das ist doch mal eine saubere Bilanz für die White Nights 2024.

6 Kommentare

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