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Stefan Wimmer – Die 12 Leidensstationen nach Pasing (2019)

Warum immer in die Ferne schweifen? Also griff ich zu einem Roman, der hier genau vor der Haustüre spielt, direkt in meinem Viertel – allerdings zu einer Zeit, in der ich noch nicht hier lebte. Und auch die Jugendkultur dieser Zeit habe ich nicht aktiv miterlebt. Aber was soll’s, interessant klang das auf jeden Fall, was der Münchner Schritftsteller Stefan Wimmer hier mit Die 12 Leidensstationen nach Pasing auf die Beine gestellt hat

Klappentext: Sommer 1985. Die Kajal-Clique hält die Welt in Atem. Zumindest die Münchner Vorstadt Pasing, in der die vier halbwüchsigen Schüler durch die Straßen streunen und die Gegend unsicher machen. Stets bewaffnet mit alkoholischen Getränken, verehren sie abgöttisch Gothic- und Wave-Bands wie The Cure oder The Human League und sind rund um die Uhr auf der Suche nach „der Party“ und dem ersten Sex. Denn die Zeiten lassen einiges zu wünschen übrig: Ihre Mitschülerinnen reagieren auf die Avancen der Clique mit stoischem Desinteresse, und auch die Schlägerbande rund um den Psychopathen Lothar macht den jungen Rebellen das Leben schwer. Erst als Baby Love aus dem benachbarten Mädchen-Gymnasium in Pasing auf den Plan tritt, gewinnen die Dinge an Rasanz.

Fazit: Das habe ich nach dem Krieg und Frieden Epos zuvor gebraucht. Eine schöne, kleine und unterhaltsame Geschichte, sehr locker, lässig und souverän erzählt von Wimmer, der mit diesem Buch seine eigene Jugend verarbeitet hat. Mit der Kajal-Clique erlebte er seine jungen Jahre im Münchner Westen, zwischen Schule, Kiosk und Bahnhof. Jugendlich überhöht ist dabei stets das eigene Weltbild: Die Clique fühlt sich immer wild und legendär (obwohl das schlimmste Ladendiebstähle der Lieblingsplatten waren), die Gegner, Lothar – hatte überhaupt schon einmal ein Antigonist so einen Namen? – und seine Gang, sind die Paten des Viertels, die hinter jeder Ecke lauern könnten.

Sehr hoch muss man ihm dabei anrechnen, dass er keinen 1980er Roman daraus gemacht hat und sämtliche Klischees Revue passieren lässt (es ist ja keine Ryan Murphy Serie). Die Geschichte funktioniert auch losgelöst von seiner Zeit sehr gut. Jugendliche Außenseiter auf der Suche nach der ersten Liebe ist ein universelles Thema und verkommt hier auch nicht zu einer Art American Pie Witznummer.

Dem Roman kann man allerdings ein wenig vorwerfen, das er zu nett ist und fast belanglos ist. Die Spannungskurve ist bis zum Ende eher flach, in die Nummer mit Baby Love stoplert die Hauptfigur ohne großes, eigenes Zutun hinein und auch der Konflikt mit Lothar schaukelt sich nie wirklich hoch – letztlich dient dieser mehr oder weniger fast nur als Stichwortgeber für den Romantitel. Die Leidensstationen leben von den kleinen Erlebnissen und den Einblick in das Innenleben der Kajal-Clique. Das Lokalkolorit blieb für mich bis zum Ende ein starker Treiber und entlockte mir meist ein freudiges Grinsen, wenn eine bekannte Straße oder Lokalität genannt wurde. Für auswärtige Leser dürfte sich der Reiz daran allerdings in Grenzen halten. Zumal es Wimmer damit manchmal auch etwas übertreibt, wenn er fast pedantisch einzelne Wege so genau beschreibt. Aber hey, wer hätte gedacht, dass es in den 1980ern nur 50 Meter von meiner Wohnung ein Kino gab?

Zur Unterhaltung war es insgesamt ein nettes, kleines Buch und wenn ich demnächst mal wieder im Portofino Eiscafé sitzen und ein Spaghetti-Eis löffeln werde, werde ich mit Sicherheit auch wieder an Die 12 Leidensstationen nach Pasing denken.

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