Jonathan Franzen – Die Korrekturen (2001)
Dem Urlaub und den damit verbundenen vielen (sehr vielen) Stunden in Flugzeug und Zug sei Dank, habe ich es geschafft, in den letzten Wochen Jonathan Franzen’s mit im gedruckten knapp 800 Seiten umfassenden und damit nicht grade kurzen Roman Die Korrekturen durch zu lesen. Nicht mein erster Roman des amerikanischen Autors, bereits vor einigen Jahren habe ich Freiheit gelesen, im vergangenen Jahr folgte seine Essay-Sammlung. Nun also sein drittes Werk für mich, welches bereits vielfach ausgezeichnet wurde. Das Buch ist ein Familien- und Gesellschaftsdrama und damit ein eher ungewohntes Genre auf meinem Kindle.
Klappentext: Nach fast fünfzig Ehejahren hat Enid Lambert nur ein Ziel: ihre Familie zu einem letzten Weihnachtsfest um sich zu scharen. Alles könnte so schön sein, gemütlich, harmonisch. Doch Parkinson hat ihren Mann Alfred immer fester im Griff, und die drei erwachsenen Kinder durchleben eigene tragikomischen Malaisen. Gary steckt in einer Ehekrise. Chip versucht sich als Autor. Und Denise ist zwar eine Meisterköchin, hat aber in der Liebe kein Glück.
Fazit: Franzen kann schreiben wie kein zweiter. So einen fundierten und präzisen Plauderstil wie er beherrschen wohl nur wenige. Er schafft es, diese amerikanische Durchschnittsfamilie aus dem unglamourösen Niemandsland des mittleren Westen zum Leben zu erwecken und dem Leser deren Biographien und Eigenheiten näher zu bringen. Durch häufiges Wechseln der Perspektive und der Zeitebene bekommt man einen umfassenden Blick auf die fünf Hauptfiguren, so dass für jede von ihnen Interesse geweckt wird. Die Sympathien, die man man als Leser zu den Figuren aufbaut, wechseln dabei immer wieder. Hält man eben noch die eine Figur für unverantwortungslos und egoistisch, kann sich das schon kurz darauf wieder drehen. Ich habe This Is Us nie gesehen, aber so würde ich mir eine Verfilmung dieses Buches vorstellen.
Die titelgebenden Korrekturen tauchen immer wieder in unterschiedlichem Kontext auf, sei es bei dem Versuch, Einfluß auf die Familienmitglieder zu nehmen, oder wie man selbst versucht, die erhaltenen Werte der eigenen Eltern für sich zu korrigieren und schließlich natürlich das Medikament, das Alfred’s Gesundheitszustand eventuell korrigieren könnte. Letztlich müssen aber alle fest stellen, dass das Leben nicht so planbar ist, wie man es gerne hätte und man immer wieder seinen Gefühlen und Wünschen nach geben muss, um sich von seinen Zwängen zu befreien und auszubrechen – womit Franzen schon recht nah am Leitmotiv seines Folgeromans Freiheit war. Was passiert, wenn man dies nicht macht, zeigt Franzen an den Figuren, die am striktesten in ihrer Rolle gefangen sind, diese leiden nämlich unter Depressionen.
Die Korrekturen ist ein Buch, über das man gerne reden möchte, weil doch jeder seine persönlichen Anknüpfpunkte an die Geschichte findet, sei es nun in den Biographien oder in den Beziehungen unter einander. Eine unglaublich präzise Familienstudie einer recht unscheinbaren Familie, welche die Tiefgründigkeit des normalen Lebens beleuchtet.