Der richtige Ton,  Was mit Medien

KW 29/2023: Black Mirror, Emma Ruth Rundle, Eroberung, Barbie und das Rad des Schicksals

Was ist eigentlich ein Plot Twist? Wir denken da an Star Wars oder an The Sixth Sense, an Die üblichen Verdächtigen oder an Die Truman Show. Mit einem Knall ändert sich alles. Jim Carrey ist Teil einer TV-Show? Bruce Willis ist tot? Darth Vader ist Luke’s Vater? Das sind Beispiele für starke und berühmte Plot Twists in der Filmgeschichte. Eine Kleinigkeit, eine kurze Bemerkung sorgt dafür, dass man auf einmal alles, was vorher zu sehen war, mit anderen Augen sieht.

Ein Beispiel für einen der enttäuschenderen Plot Twist der jüngeren Vergangenheit wäre dagegen, wenn sich der aufgebaute Antagonist einer Story auf einmal doch nur als Wildschwein entpuppt und nicht als große, mächtige Löwin. Plötzlich fällt die ganze Geschichte in sich zusammen.

Ob es bei der Serie Black Mirror, dem Roman Eroberung oder beim Kinofilm Barbie und das Rad des Schicksals gute Plot Twists gibt, das erfahrt ihr nun im medialen Wochenrückblick. Viel Spaß.

Laurent Binet – Eroberung (Frankreich, 2019) – 6 von 10

Klappentext: Was, wenn in der Geschichte Europas zwei Dinge anders gelaufen wären? Erstens: Die Wikinger wären mit Pferden und eisernen Waffen bis nach Südamerika gesegelt. Zweitens: Kolumbus hätte Amerika nicht entdeckt. In diesem Fall erobern die Inkas Europa. Sie landen im 16. Jahrhundert in Portugal, besiegen Karl V. in Frankreich und die Anhänger der Inquisition in Spanien. In Deutschland helfen ihnen die Fugger, das viele Gold zu verteilen. Im Herzen von Paris wird eine Pyramide errichtet, in Wittenberg schlägt man nach Luthers Tod die „95 Thesen der Sonne“ an. Federschmuck ziert die Häupter der Europäer, auf den Feldern wächst Chinoa, Schafe sind heilig… Wie ginge es uns heute, fragt Binet, wären wir statt der kapitalistischen Ideologie den Lehren des Inkahäuptlings Atahualpa gefolgt?

Review: Um zunächst einmal auf die abschließende Frage des Klappentextes einzugehen: Darauf gibt der Roman keine Antwort. Denn er spielt eben nicht im „heute“, sondern erzählt die Geschichte von Mittel- und Südamerika von der Wikingerzeit bis ins später Mittelalter neu und macht dafür aus unserer alten Welt die für die Inkas neue Welt. Was der Autor Laurent Binet aus den beiden spannenden Ausgangsthesen entwickelt ist ein wirklich interessantes Gedankenexperiment. Er fingiert dafür Tagebucheinträge, Briefwechsel und Chronisten, um anhand dieser Dokumente die Entstehung der alternativen Weltordnung zu beschreiben. Das macht er ganz geschickt und oft mit einem Augenzwinkern, und ich bin mir sicher, Leute mit einem etwas tieferen Hintergrundwissen über die beschriebenen Epochen werden noch deutlich mehr Querverweise und Abwandlungen der realen Geschichte entdecken als es mir möglich war.

Leider krankt die Erzählung aber genau an dem Format. Die ganze Geschichte ist so pseudo-historisch geschrieben und voll gepackt mit Namen und Ereignissen, dass es schwer ist, mit der Erzählung und den handelnden Figuren mitzufühlen. Es entsteht eine Distanz, die im Laufe des Romans immer größer wird. Am besten funktioniert es noch in den Tagebucheinträgen von Kolumbus über seine Begegnungen mit den für ihn fremden Völkern. Danach wird es eher chronistenhaft (wobei auch hier die eingebetteten Briefwechsel wieder am spannendsten, da am persönlichsten, sind) und gegen Ende wirkt es fast schon beliebig. Das ist schade, weil die Ausgangsüberlegungen ja wirklich spannend sind und mich zumindest sofort gecatcht hatten. Das es auch anders gehen würde, hat mir im vergangenen Jahr die Serie For All Mankind gezeigt, die ebenfalls von einer was-wäre-wenn Idee ausgeht, die weitere Entwicklung aber nicht nur anhand von fingierten Nachrichtenbeiträgen oder ähnlichem zeigt, sondern es über eine ganz klassische Erzählsweise weiterspinnt. Da war man tief drin in der Welt, fieberte und leidete mit den Hauptfiguren mit – etwas, was in Eroberung leider viel zu kurz kommt.

Fazit: Gute Idee, gewöhnungsbedürftig erzählt.

(Deutlich positiver ist die Kritik von Going To The Movies – von dort hatte ich auch diesen Lesetipp.)

Heute gibt es die neuste Staffel einer Serie, die für mich eine Besonderheit ist. Es ist schließlich die einzige Serie, bei der ich mir nach jeder Folge eine Bewertung überlege und für die Gesamstaffel einfach den Durchschnitt nehme. Für das Konzept der Serie scheint mir das die beste Lösung zu sein, für alle anderen Serien wäre mir der Aufwand zu groß. Die Rede ist natürlich von:

Black Mirror (Staffel 6, 5 Folgen, Uk, Netflix) – 7 von 10

Nach vier Jahren Pause meldet sich die Anthologieserie Black Mirror mit seiner mittlerweile sechsten Staffel wieder zurück. Mastermind Charlie Brooker hat fünf neue Welten entworfen, welche die Auswirkungen von der Verwendung von Technik und Medien auf die Gesellschaft thematisieren sollen. Der titelgebende Black Mirror ist schließlich nichts anderes als ein nicht erleuchteter Bildschirm.

Der Auftakt der Staffel ist mit Joan is Awful mehr als geglückt und gehört vielleicht sogar zu den Highlights der gesamten Serie. Joan (Annie Murphy) muss eines Abends feststellen, dass ihr Leben von einem Streaminganbieter verfilmt wurde und sich die ganze Welt nun Salma Hayek ansehen kann, wie sie Joan spielt. Die Geschichte ist wunderbar erzählt, Medien- und Konsumerkritisch und verschachtelt sich bis zu seiner überraschenden Auflösung immer weiter. Schwingt sich die Serie also nach der schwachen Vorgängerstaffel wieder zu alten Höhen auf? Leider nein. Trotz eines immer größer werdenden Staraufgebots (immerhin spielen in dieser Staffel noch Aaron Paul, Josh Hartnett, Kate Mara, Zazie Beetz und Michael Cera mit), können die übrigen Episoden nicht restlos überzeugen. Am besten gefiel mir da noch Beyond The Sea, auch wenn sich hinter dem interessanten Ansatz mit den Astronauten und ihren Avatern auf der Erde nur eine klassische Story verbirgt, die man schon sehr früh kommen sieht. Die Schottland-Folge Loch Henry hat ihr eigenes Potential, die Tragik hinter den beliebten True Crime Geschichten, nicht bzw. zu spät entdeckt. Mazey Day wirkt wie ein durchschnittlicher Film vom Fantasy Filmfest und beim Staffelfinale Dämon 79 frage ich mich immer noch, wie diese Story zur Agenda der Serie passen könnte. So war es insgesamt zwar schön, dass überhaupt noch einmal etwas von Black Mirror gekommen ist, aber etwas mehr als das eine absolute Highlight hätte es gerne sein dürfen.

Kurzfristig ist es in dieser Woche noch zu einem Kino-Double-Feature gekommen. Es ist aber nicht Barbenheimer geworden, sondern nur die erste Hälfte davon. Und es überrascht mich immer wieder, wie sehr dieser Film gehyped wird. Wir hatten jedenfalls Probleme, für den Abend des gleichen Tages noch Tickets zu bekommen. Ob der Film dem Hype gerecht wird, das lest ihr gleich. Leichter war es dagegen, sich am vergangenen Sonntag den neuen Indiana Jones anzuschauen.

Barbie (USA) – 8 von 10

Mit welchen Vorstellungen geht man in einen Film, der den Namen Barbie trägt? Mit Sicherheit erwartet man nicht so etwas. Was Greta Gerwig hier auf die Leinwand gebracht hat, ist wirklich einmalig und hat das Zeug zum Klassiker. Ein ebensolcher wird mit 2001 bereits in der Eingangssequenz zitiert, bevor das Publikum nach Barbieworld gebracht wird und wir die Hauptfiguren Barbie (Margot Robbie) und Ken (Ryan Gosling) kennenlernen. Innerhalb kurzer Zeit wird diese rosa Plastik-Welt etabliert, bis Barbie und Ken in die echte Welt losziehen und damit beide Welten in ihren Grundfesten erschüttern. Der Film schafft dabei den Spagat, sowohl lustiges und massentaugliches Wohlfühlkino zu sein, sich dabei selbst und seinen Mutterkonzern Mattel (mit Will Ferrell als CEO) nicht zu Ernst zu nehmen, und gleichzeitig auch ein starkes Statement zum Thema Gleichberechtigung zu setzen. Offensichtlicherweise prangert er dazu die Erwartungen der Gesellschaft an die Frauen an (das vor allem in einer starken Rede von America Ferrera mündet, der zu spontanem Applaus an manchen Stellen im Publikum geführt hatte), idealisiert aber trotzdem nicht die Scheinwelt der oberflächlichen Barbieworld, die keine Zweifel zulässt und die Männer marginalisiert. Perfekt macht der Film aber auch nicht alles. So wird das komödiantische Potential der menschlichen Puppen (oder was auch immer sie sind?) nicht ausgespielt, die Trennung zwischen Barbieworld und der echten Welt nicht erklärt (und die echte Welt manchmal nicht real genug dargestellt), der Schluß des Filmes ist zu erklärend melodramatisch geworden und die Story insgesamt zu viele Themen aufmacht, anstelle sich auf weniger zu konzentrieren. Ändert aber nichts daran, dass das hier trotzdem ein denkwürdiges Stück Kino geworden ist.

Indiana Jones und das Rad des Schicksals (USA) – 6 von 10

Der fünfte Teil der Reihe ist kein schlechter Film. Es ist aber auch kein Film, den irgendjemand wirklich braucht. Die Indiana Jones Reihe spielte nie in der Gegenwart, sondern war schon immer mit einer besonderen Zeitepoche verbunden. Und da die Figur mit seinem Schauspieler Harrison Ford mitaltert, spielt dieser Film nun im Jahr 1969 und hat dadurch einen ganz anderen Look als die klassische Trilogie. Mit einer langen Einstiegssequenzen, in der man Ford digital verjüngt hat, damit er 1944 wieder gegen Nazis kämpfen kann, hat man wohl versucht, das Problem ein Stück weit zu umgehen. Der Einstieg ist deshalb zwar ganz nett, aber vor allem: Zu lang. Der Sprung in die Jetzt-Zeit des Film ist dann etwas holprig, unser geliebter Held muss sich unwürdig mit Alltagsproblemen rumschlagen, bis ihn seine Patentochter Helena Shaw (Phoebe Waller-Bridge) in ein neues Abenteuer verwickelt. Und das ist klassisch: Die Suche nach einem Artefakt führt ihn rund um den Globus – also quasi die gleiche Story wie bei Mission Impossible – Dead Reckoning, oft erprobt, häufig gelungen. Aber da ich den Vergleich nun aufgemacht habe: Ford ist nicht Tom Cruise und Waller-Bridge ist als frischer, weiblicher Sidekick nicht so gut wie Hayley Atwell. Immerhin macht Mads Mikkelsen als Bösewicht einiges her, besonders, wenn er schließlich seinen fiesen Plan enthüllt, der auch jedem James Bond Bösewicht gut zu Gesicht gestanden hätte. Die finale Wendung mag nicht jedem gefallen – ich zumindest fand sie unerwartet, aber okay. Warum der Film allerdings auch wieder 154 Minuten dauern muss? Keine Ahnung, denn den ein oder anderen alten Bekannten von Indiana Jones hätte es nun wirklich nicht gebraucht. Da kam Barbie schneller zum Punkt. Aber es ist kein schlechter Film.

Emma Ruth Rundle (USA) – München, St. Matthäuskirche

Als ich im Oktober 2018 das erste Mal auf einem Konzert der Amerikanerin Emma Ruth Rundle war, da schrieb ich etwas von „Düster Pop“ und „Dark Folk“. Danach veröffentlichte sie als nächstes ein ziemlich metall-lastiges Album, das mir zu der Zeit etwas zu heftig war, nur um nun auf einer Akustiktour zu sein, die sie in einigen Kirchen auftreten lässt und bei denen sie nicht mehr als ein Klavier und eine Akustikgitarre dabei hat. Manchmal braucht es auch nicht mehr.

Dem Publikum waren ihre musikalischen Wurzeln wohl durchaus bekannt – jeder, der nicht in schwarz gekleidet da war, fiel schnell auf. Sie spielte ihr aktuelles Album Engine Of Hell (zu dem auch das eingebettete In My Afterlife gehört) am Stück durch, erst in der Zugabe gab es noch zwei weitere Songs zu hören. Dadurch war ich durch meine Unkenntnis insgesamt etwas schwach aufgestellt, das sollte aber kein großes Problem an diesem Abend sein (die komplette Setlist findet ihr hier).  Lediglich beim letzten Song wurden die Lichter auf der Bühne angemacht, sonst blieb es die meiste Zeit in der Kirche dunkel und die Künstlerin war nur schemenhaft zu erkennen. Es war ein netter, kleiner Auftritt – wie gemacht für ein Konzert unter der Woche.

Und das war es auch schon wieder. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und habt einen guten Start in die neue Woche!

7 Kommentare

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