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KW 49/2022: Faking Hitler, Contra, Der Spalter, Superstore, Sportfreunde Stiller und Aus dem Eis

Ich weiß nicht, ob es einen Zusammenhang mit dem frühen WM-Aus des deutschen Teams gab und ich deshalb etwas zu kompensieren hatte. Jedenfalls heute für euch im medialen Wochenrückblick: Zwei deutsche Filme, eine deutsche Serie, einen deutschen Musiktipp und das Debut eines deutschen Autors. Also schenkt euch noch schnell einen Jägermeister ein, schlüpft in die Birkenstocks und schon geht es los:

Neben den großen Klassikern und den aktuellen Romanen aus der weiten Welt versuche ich auch immer mal wieder, ein paar Werke von unbekannten Autoren zu lesen. Romane, die im Selbstverlag erschienen sind. Auf der Suche nach solchen Büchern bin ich beim Debutroman des norddeuschen Stephan Ahlers-Möller gelandet, der mit Aus dem Eis das Mystery-Horror Genre bedienen möchte.

Stephan Ahlers-Möller – Aus dem Eis (Deutschland, 2022) – 6 von 10

Klappentext: Um ihren privaten Problemen zu entfliehen, nimmt die Mikrobiologin Jenny an einem Forschungsprojekt in Kanada teil. In der Einöde des nördlichen Yukon-Territoriums findet sie jedoch nicht nur Abstand von ihrem toxischen Ex-Mann, sondern eine gänzlich neue Art von Bakterien. Als der Winter die Kleinstadt Grizzly Creek von der Außenwelt abschneidet, geschehen brutale Morde. Bald ist Jenny klar: Der Klimawandel bringt hier nicht nur die bekannten Probleme mit sich. Er hat auch freigelegt, was besser für immer im ewigen Eis geblieben wäre.

Review: Hach. Zwei Forscher landen für Arbeiten in einer abgelegenen Kleinstadt und entdecken etwas Großes. Wenn da mal nicht das gute, alte Akte X Feeling aufkommt! Autor Ahlers-Möller bringt die Geschichte sprachlich gut über die Runden, sein Roman lässt sich absolut flüssig und leicht lesen und hält das Interesse am weiteren Verlauf stets hoch. Allerdings hat vor allem die erste Hälfte relativ wenig mit Mystery und schon gar nichts mit Horror zu tun, sondern ist eher ein Wissenschaftsthriller. Erst in der zweiten Hälfte eskaliert die Situation und das Blut fließt in Strömen und ungeahnte Hintergründe werden aufgedeckt. In der Kombination vielleicht etwas unglücklich und nicht ganz rund. Passend dazu ist auch die Entwicklung der Hauptfigur Jenny zur toughen Actionheldin zu sehen, diese muss man ein Stück weit akzeptieren. Und der Einstieg in das Buch, die Rahmengeschichte, ist wirklich etwas missglückt. Platt, unsympathisch und letztlich unnütz ist das erste Kapitel,. Insgesamt aber ein spannender und kurzweiliger Roman, gut zu lesen, aber auch relativ schnell wieder vergessen.

Fazit: Ein Roman, wie eine Akte X Folge. Oder besser gesagt: Wie ein hinterher geschobenes Remake.

Faking Hitler (Staffel 1, 6 Folgen, Deutschland, VOX) – 8 von 10

Der Stern-Reporter Gerd Heidemann (Lars Eidinger) gelangt Anfang der 1980er über einen Kunsthändler an ein Tagebuch von Adolf Hitler und wittert damit die große Story, um seine Karriere zu retten. Was er jedoch nicht ahnt: Das Tagebuch ist eine Fälschung des Künstlers Konrad Kujau (Moritz Bleibtreu).

Die Serie zeigt die teilweise fiktiven Ereignisse rund um die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher. Teilweise fiktiv, weil vor allem die Parallelgeschichte um die junge Journalistin Elisabeth Stöckel (Sinje Irslinger) und ihrem Vater (Ulrich Tukur) dürften frei ergänzt worden sein. Diese Geschichte ist zwar auch ganz gut, steht aber klar im Schatten der Tagebücher. Eidinger und Bleibtreu sind toll in ihren Rollen, vor allem letzterer gefällt in seiner Rolle als schwäbelnder Kunstfälscher und listiger und redegewandter Trickbetrüger. So ist die Serie wie die meisten, guten Gaunerstücke wirklich sehr unterhaltend geworden. Man schmunzelt über die offenkundigen Fehler des Betrügers (wie die Sache mit den falschen Initialen auf dem Einband) und freut sich, wenn er sich doch wieder aus einer brenzligen Situation herauswinden kann. Der Reporter Eidinger, versessen auf Memorabilien aus der Nazi-Zeit, ist dabei zu keiner Zeit der böse Gegenspieler, sondern weckt Respekt aufgrund seines Einsatzes und erhält Mitleid, wenn man ihm dabei zuschaut, wie er versucht, an seinem Traum der großen Geschichte festzuhalten. Mit nur sechs Folgen hat die Serie dabei eine gute Länge gefunden. Zeitkolorit stimmt, auch wenn der Einsatz von Popmusik vielleicht etwas übertrieben ist – aber da kann die RTL-Gruppe anscheinend nicht aus ihrer Haut. Wie auch immer: Ich hatte viel Spaß mit der Serie und war froh, sie endlich von meinem Festplattenrecorder befreit zu haben.

Superstore (Staffel 6, 15 Folgen, USA, Sky on Demand) – 8 von 10

Die finale Staffel von Superstore führt uns zurück in das Jahr 2020 und man erlebt das ganz Jahr noch einmal in Zeitraffer. Ausbrauch der Pandemie, Lockdown, Systemrelevanz, Tiger King, Black Lives Matters – und die Staffel geht auch mit dem Thema Masken im Einzelhandel konsequent um. Amys (America Ferreira) Beförderung und damit ihr Umzug steht an und lässt Jonah (Ben Feldmann) alleine zurück. Glenn (Mark McKinney) übernimmt wieder seinen alten Posten und befördert Dina (Lauren Ash) zu seiner Stellvertreterin. Und am Ende heißt es Abschied nehmen von der ganzen Belegschaft. Passenderweise gehören die letzten Worte der Serie dann auch Garrett (Colton Dunn).

Meine Beurteilungen der Staffeln schwankt ja immer zwischen nett und gut – aber die letzte Staffel ist wirklich richtig gut. Sie schafft es nicht nur, der Serie ein würdiges Ende zu geben, sondern handelt parallel dazu auch noch dieses Jahr 2020 ab und das ist einer Konsequenz, die ich noch bei keiner anderen fiktionalen Serie gesehen habe. Wobei sie sich auch dabei treu bleibt. Man hätte sich fast gewünscht, dass diese stillen Helden des Alltags, die Arbeiter im systemrelevanten Supermarkt, noch etwas mehr gewürdigt werden. Und trotz dieser Themen verliert die Serie nie ihren positiven Grundton und bleibt auch weiterhin angenehm leicht zu konsumieren. Als die Serie schließlich nach 113 Folgen endete und der Superstore für immer seine Pforten schloß, da war ich schon ein wenig traurig.

Zwei deutsche Komödien in einer Woche? Ob dieser Mut belohnt wurde, das lest ihr jetzt:

Contra (Deutschland, 2021, Sky Cinema) – 6 von 10

Sönke Wortmann scheint nach dem Erfolg von Der Vorname seine Nische gefunden zu haben: Dialoglastige Komödien. So auch Contra, mit Christoph Maria Herbst als besserwisserischen Professor, der seine Studentin Nilam Farooq auf einen Diskutierwettbewerb vorbereiten soll. Erwartbar ist dabei, wie diese beiden Figuren immer mehr Verständnis füreinander entwickeln. Etwas dünn fand ich dagegen die Wortduelle der Beiden – die Figuren begegnen sich in dieser Konstellation leider nie auf Augenhöhe, so dass Herbst meistens das letzte Wort zu steht. Und auch die Diskutierwettbewerbe enttäuschen, sind sie doch nur auszugsweise zu sehen und wechseln nach drei Minuten schon wieder das Thema. Das hatte Community deutlich besser gemacht.

Der Spalter (Deutschland, 2022, ZDF) – 6 von 10

Regisseurin Susanna Salonen bezeichnet den Film als „Gott des Gemetzels – in klein und im Garten“. Leider ist das ein Vergleich, den sie einfach nicht gewinnen kann. Eskaliert besagter Film langsam, aber unaufhaltsam und sehr organisch, ist Der Spalter dagegen deutlich platter. Zwar weiß der Film, welche Knöpfe wann gedrückt werden müssen, zündet die Stufen aber wie auf Befehl. Wie bei Contra ist aber auch hier mein größter Kritikpunkt, dass die Figuren nicht auf Augenhöhe disktutieren, da Ekel Lars (Axel Stein in einer tollen Rolle) größtenteils der Einzige ist, der die Themen auf- und voranbringt. Interessanter ist da schon, wie die übrigen Gäste der Grillparty auf ihn reagieren, wenn Stein nicht mit dabei. Trotzdem aber ein netter Film, auch wenn das Vorbild noch weit weg ist.

Es gab eine Zeit, da waren die Sportfreunde Stiller die nette, junge Band von nebenan, die ihre technischen Defizite mit Unbekümmertheit und Charme ausgleichen konnten. Ihr naives Debutalbum kann man immer noch gut hören. Ihren Höhepunkt hatten sie ohne Frage in der Zeit zwischen 2006 und 2010, als sie den Soundtrack der beiden WM-Sommer (Sommertas?) lieferten. Irgendwann kippte das ganze dann aber. Aus ihrem Jungs-Charme wurde ein scheinbar berechnenter Baustein und das Unbekümmerte war weg und sie irgendwann auch.

Nun haben sie nach vielen Jahren mit Jeder nur ein X ein neues Album veröffentlicht und – nunja, eigentlich hat es niemand gebraucht. Aber doch, irgendwie hat das alte Rezept noch mal funktioniert. Also zumindest für Du bist eine Bank.

Gesehen: 30 von 60 WM-Spielen = 50% (zum Vergleich: 70% waren es am Ende bei der WM 2018)

Die Halbfinals der diesjährigen WM stehen fest. Wie auch schon das Achtelfinale besteht es zu 50% aus europäischen Teams. Dazu kommt Argentinien und mit Marokko erstmals ein Team vom afrikanischen Kontinent.

Marokko glänzt weiterhin mit einer tadellosen Defensive. Nur ein Gegentor mussten sie bisher hinnehmen (beim 2:1 Sieg gegen Kanada), sie lassen generell sehr wenige Chancen der Gegner zu. Dazu kommen immer wieder ansehnlich herausgespielte, eigene Chancen. Nach Spanien biss sich nun auch Portugal die Zähne an den Löwen vom Atlas aus. Dort ging Ronaldos WM-Karriere zu Ende. Zwar hatte er in der Nachspielzeit noch eine kleinere Chance auf den Ausgleich, aber insgesamt blieb er in seinen letzten Einsätzen recht blass und man wird das Gefühl nicht los, dass er den rechtzeitigen Absprung verpasst hatte.

Marokko trifft nun im Halbfinale auf den Titelverteidiger aus Frankreich und es wird spannend zu sehen sein, wie die französische Offensive sich gegen die Defensivkünstler durchsetzen kann. Gegen England machten sie aus den wenigen Chancen zwei Tore und während Mbappé, der im Achtelfinale gegen Polen seinen großen Auftritt hatte, blass blieb, erzielte Giroud mit seinem vierten Turniertor den entscheidenden Treffer. England schied so aus, wie ein England nunmal ausscheidet: Harry Kane schoss seinen zweiten Elfmeter des Spiels über das Tor. Es wäre der Ausgleich gewesen.

Es ist immer noch möglich, dass es zu einer Neuauflage des Finals der WM 2018 kommen kann, denn auch Kroatien ist noch im Rennen, auch wenn man nicht so genau weiß, warum. Schließlich steht bisher nur ein 4:1 Sieg über Kanada zu Buche. Ihre restlichen Ergebnisse nach 90 bzw. 120 Minuten: 0:0, 0:0, 1:1, 1:1. Aber dafür haben sie mit Dominik Livaovic den vielleicht besten Torhüter des Turniers, der nun schon zum zweiten Mal zum Held im Elfmeterschießen wurde. Die Kroaten erinnern damit an das deutsche Team früherer Jahrzehnte: Nicht schön spielen, aber am Ende sind sie immer mit dabei. Erinnerungen an die WM 2002 werden wach, wo es Deutschland nur mit Kahn und Ballack ins Finale schaffte.

Das emotional interessanteste Spiel des Viertelfinals war wohl das Duell zwischen Argentinien und den Niederlanden. Der überforderte spanische Schiedsrichter Mateu Lahoz verteilte insgesamt 17 gelbe Karten, ein neuer Rekord. Beide Teams gifteten sich pausenlos an und sorgten für einige unsportliche Situationen und viel Diskussionen noch lange nach dem Abpfiff. Argentinien führte bis zum 82. Minuten mit 2:0, bevor der Ex-Bundesligaprofi Weghorst mit seinen beiden Treffern noch ausgleichen konnte, incl. eines Freistoßtricks in Spielminute 90.+11 – die Ruhe muss man in dieser Situation erst einmal haben. Kurz vor Ende der Verlängerung suchte Argentinien zunächst die Entscheidung, scheiterte aber einige Male knapp. Das Elfmeterschießen musste den Halbfinalisten bestimmen und hier setzte sich schließlich der amtierende Südamerika-Meister durch.

Am Dienstag treffen Argentinien und Kroatien aufeinander, am Mittwoch folgt Frankreich gegen Marokko. Für das Finale am Sonntag tippe ich auf Argentinien gegen Frankreich und dort steht dann entweder die endgültige Krönung von Messi an oder es kommt zur ersten Titelverteidigung seit genau 60 Jahren.

  • (Fast) ein Jahr medialer Wochenrückblick: Anfang 2022 habe ich dieses wöchentliche Format gestartet, welches den alten Monatsrückblick ablöste. Bis auf einigen urlaubsbedingten Ausnahmen habe ich es tatsächlich geschafft, den Beitrag am Sonntagabend online zu stellen – mal besser und mal schlechter gefüllt. Der Zeitaufwand war allerdings doch etwas höher, als ich anfangs gedacht hatte. Trotzdem bin ich mit dem Ergebnis recht zufrieden. Wie gefällt euch das Format? Irgendwelche Rubriken, die ich euch fehlen oder auf die ihr verzichten könntet?
  • Das Medienjahr 2023 – was kommt, was geht, was bleibt: Der Journalist Christian Jakubetz gibt seine Einschätzung zur Entwicklung des Medienmarktes ab und denkt dabei an Social Media, Audiocontent und an KI.
  • Und Dundee Hände zum Himmel: Die 11Freunde widmen dem früheren KSC-Teenie-Idol Sean Dundee zu dessen 50. Geburtstag eine ganze Bilderstrecke. Wo ist nur die Zeit geblieben?

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, habt einen guten Start in die neue Woche und weiterhin Gut Kick!

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