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Colson Whitehead – Underground Railroad (2016)

Da ich ja ein kleiner Optimist bin, schreibe ich einfach mal: Dem Lockdown sei Dank! Auch mit dem nächsten Roman bin ich zügig durch gekommen. Dabei handelte es sich dieses Mal um Underground Railroad des New Yorkers Colson Whitehead. Der Roman stand schon etwas länger auf meiner Leseliste und kann einige Vorschußlorbeeren aufweisen: Er wurde u.a. ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize, dem US National Book Award und dem Arthur C. Clarke Award und hat es bis auf die Leseliste von Barack Obama geschafft.

Klappentext: Cora ist nur eine von unzähligen Schwarzen, die auf den Baumwollplantagen Georgias schlimmer als Tiere behandelt werden. Alle träumen von der Flucht – doch wie und wohin? Da hört Cora von der Underground Railroad, einem geheimen Fluchtnetzwerk für Sklaven. Über eine Falltür gelangt sie in den Untergrund und es beginnt eine atemberaubende Reise, auf der sie Leichendieben und Kopfgeldjägern, aber auch heldenhaften Bahnhofswärtern begegnet. Jeder Staat, den sie durchquert, hat andere Gesetze, andere Gefahren. Wartet am Ende wirklich die Freiheit?

Die Underground Railroad gab es tatsächlich – es war laut Wikipedia eine Art Schleusernetzwerk, das für schwarze Sklaven die Flucht aus den Südstaaten der USA in den Norden bis nach Kanada organisierte. Whitehead macht in seinem Roman aus diesem Netzwerk eine geheime, aber richtige Eisenbahn-Linie, die Cora und die anderen geflüchteten Sklaven aufnimmt und befördert. Und begeht dann auch nicht den Fehler, die Existenz dieser Eisenbahn zu sehr erklären zu wollen, sondern lässt die Hintergründe für sie in der Schwebe. Das ist auch ganz gut so, denn so lenkt dieser Aspekt nicht zu sehr von dem Grauen ab, mit dem sich die Schwarzen konfrontiert sehen.

Und das hat es durchaus in sich. Misshandlung, Ausbeutung und Verfolgung steht auf der Tagesordnung. Besonders erschreckend ist dabei zu lesen, wie alle Beteiligten sich zu Beginn mehr oder weniger mit diesen Regeln abgefunden haben und akzeptieren. Als wäre es eine natürliche Ordnung. Erst im Laufe des Romans trifft Cora auf immer mehr Menschen, die diese Regeln in Frage stellen.

Die Erzählung selbst ist recht episodenhaft. Cora absolviert einige Stationen mit der Underground Railroad und wird so immer wieder in andere Gegenden und damit in andere Verhältnismäßigkeiten im Zusammenleben von Weißen und Schwarzen befördert. Das ist dann aber leider auch die Schwäche des Romanes. Er ist so aufgebaut ist, als würde Cora von Level zu Level springen, wie in einem Super Mario Land des Grauen. Sie wird durch das Setting geschubst, ohne selbst einen großen Einfluß auf den weiteren Verlauf der Handlung nehmen zu können. Außerdem ist Whiteheads Schreibstil (zumindest in der deutschen Übersetzung) manchmal nicht grade flüssig zu lesen. Er springt mitten im Absatz gerne mal hin und her, aber ohne dass mit der Eleganz eines Gabriel García Márquez machen zu können. Figuren werden ohne Erklärung eingeführt, plötzlich sind sie einfach da. Diese Punkte führten dazu, dass man (also jedenfalls ich), einzelne Absätze doppelt lesen musste, da ich dachte, ich wäre gedanklich abgeschweift. War ich aber nicht. Die meisten der Figuren bleiben leider recht flach, wenn man mal von Cora und (ausgerechnet) vom Sklavenfänger Ridgeway absieht, bei dem ich ständig Christoph Waltz im Kopf hatte. Das ist alles etwas schade, weil es den Gesamteindruck des Buches doch trübt. Relevanz ist nicht alles, das Setting hätte eine stärkere Story und eine flüssigere Sprache verdient gehabt.

Fazit: Underground Railroad ist ein bewegendes Stück amerikanischer Geschichte mit eindrucksvollen Szenen, dem es allerdings etwas an der sprachlichen Eleganz und der Tiefe fehlt.

Zur Zeit entsteht für Amazon Prime übrigens eine Serienversion des Romanes. Dafür gibt es mittlerweile bereits einen ersten (leider etwas nichts sagenden) Teaser-Trailer:

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