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David Peace: 1977

Vor zwei, drei Jahren las ich von David Peace dessen Kriminalroman 1974 und war gleichzeitig gefesselt und abgestossen von der Handlung: Einem brutalen Serienkiller auf der einen und die geschilderten Verhältnisse in der britischen Gesellschaft auf der anderen Seite. Dazu kam ein Schreibstil, der roh und direkt war und es dem Leser nicht immer leicht machte. Lange Zeit wollte ich nicht, aber nun habe ich doch die Fortsetzung gelesen: 1977, welche – richtig – 3 Jahre später spielt.

Ich habe ihn in der Hand, ich habe ihn, und ich könnte ihn kaltmachen, seinen Schädel auf den Apshalt knallen, bis er zersplittert, könnte ihn in den Kofferraum seines funkelnagelneuen miamiblauen Granada 2000 stopfen und ins Moor hinausfahren oder in einen Steinbruch oder an einen See. Aber ich tue es nicht. Ich schubs das verdammte Arschlosch von der Motorhaube seines Wagens und steige ein. (S. 176)

Yorkshire, 1977. Robert Fraser wird Mitglied einer Sonderkommision der Polizei, die den Mord an einer Prostituierten aufklären soll. Schon bald wird klar, dass der Mord Teil einer ganzen Serie ist. Gleichzeitig unternimmt auch Reporter Jack Whitehead Nachforschungen, um dem Täter auf die Spur zu kommen. Beide geraten immer tiefer in einen Strudel von Gewalt, Intrigen und Korruption. Die Fassade des bürgerlichen Lebens bröckelt.

Für eine Fortsetzung eher ungewöhnlich hat dieser Roman andere Hauptcharaktere als der erste Teil. Und ganz ehrlich: Zwei Personen zu haben, die abwechselnd aus der Ich-Perspektive schildern, das kann für den Leser sehr anstrengend werden. Die Nebenfiguren werden ohne große Vorstellung eingeführt, die ersten 100 Seiten sind einfach etwas verwirrend und man muss schon genau aufpassen, um sich zurecht zu finden.

Wenn einem das gelungen ist, hat man Eintritt in die Welt, die Peace hier schildet. Eine Scheinwelt der rechtschaffenen Polizei, eine Schattenwelt aus Korruption, Gewalt und Prostitution. Aber wenn detailiert beschrieben wird, wie ein Schwarzer in Polizeigewahrsam grundlos vor 15 Polizisten eine Spermaprobe abgegeben muss, ist das schon sehr an der Grenze. Überhaupt scheint es in dem Roman die ganze Zeit dunkel, verdreckt und alles voller Blut, Schweiß und Schmerzen zu sein. Wenn man das akzeptiert, hat man einen sehr wohl faszinierenden Roman in den Händen, in dem die Jagd nach dem Yorkshire-Ripper die Hauptpersonen immer weiter aus ihrem Leben heraus reißen.

Ich nehme das Foto in die Hand, die Schwarzweiß-Vergrößerung von ihrem Gesicht, sehe die geschwollenen Lider und aufgedunsenen Lippen, ihre geschwärzten Wangen und das klebrige Haar, und ich zittere, zittere, bevor ich mich übergeben muß, ich kotze über den Tisch, heiße gelbe Galle durchs ganze Zimmer. (S. 282)

Zur Zeit läuft in der ARD am Sonntagabend die britische TV-Verfilmung der Reihe. Unsinnigerweise hat man die vier Bände zu einem Dreiteiler zusammen gefasst. Die erste Folge lief bereits vergangenen Sonntag unter dem Titel Yorkshire Killer 1974, der zweite Teil folgt an diesem Sonntag um 23:30, bevor die Reihe am kommenden Sonntag beendet wird. Reingeschaut habe ich bisher noch nicht, aber aufgenommen ist es.

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