
Google Dorf View: Ilbenstadt
Wer kennt nicht das Gefühl, wenn man plötzlich einen Ort aus seiner Kindheit wieder entdeckt? Dieses Gefühl hatte ich neulich – und zwar dank Google Street View. Zufällig bin ich darauf gestoßen, dass mein Heimatdorf dort ebenfalls hinterlegt ist, dank einer Fahrt im Juli 2023. Google war dafür nicht nur auf der Hauptstraße unterwegs, sondern ist auch durch die kleineren Nebenstraßen gekurvt. Straßen, Schulen, Plätze – alles ist dort zu sehen. Das nutze ich um euch zu zeigen, wo ich den 1980ern aufgewachsen bin. Was hat sich seitdem geändert und was ist gleich geblieben? Das Street View Auto muss ein DeLorean gewesen sein, denn für mich funktioniert es fast wie eine Zeitmaschine.
Steigt mit ein und lasst euch entführen nach Ilbenstadt!
Mitten in Hessen gelegen, etwas nördlich von Frankfurt. Ungefähr zweieinhalbtausend Einwohner damals, eine Grundschule, ein Kindergarten, eine Busverbindung. Das war es, das musste reichen, wir hatten ja nicht anderes. Als Kind war das super, man konnte bedenkenlos raus und durch das Dorf streifen – erst mit zunehmenden Alter merkte man, dass die Möglichkeiten doch limitiert waren. Mir fehlen zum Vergleich leider historische Fotos aus meiner Kindheit. An digitale Fotografie war damals bei weitem noch nicht zu denken und die analogen Filmrollen wurden extra für den Urlaub und für die hohen Feste aufgehoben. Ihr müsst daher auf den bildlichen Vergleich verzichten.
Wir fahren nun erst einmal langsam in den Ort hinein. Hier ist auch schon das Ortsschild. Noch ein kleines Stück weiter und wir überqueren die Nidda, die durch ihr gnadenlos begradigdes Flussbett an Ilbenstadt vorbei hetzt.
Wir fahren direkt zur größten Sehenswürdigkeit des Dorfes: Die Basilika St. Maria, Petrus und Paulus, auch liebevoll der Dom der Wetterau genannt. Ilbenstadt war schon immer sehr katholisch. Das war jedoch nie mein Verein, die evangelische Kirche war deutlich kleiner und von der Straße aus nur verdeckt hinter einer Mauer zu erahnen.
Und damit springen wir gleich zum zweiten, über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Gebäude: Dem Bunker Ilbenstadt (wie sie sehen, sehen sie nichts), in Dienst gestellt 1970 für den Katastrophenschutz Frankfurt. Er sollte das Überleben für 30 Tage ermöglichen. Mittlerweile kann man ihn im Rahmen einer Führung besichtigen, früher war dem nicht so. Vielleicht zeigt die Tatsache, dass sich der Bunker bereits auf der anderen Seite des Dorfes befindet, schon auf, wie klein Ilbenstadt und wie schnell man durch ist.
Nach den Sehenswürdigkeiten geht es nun weiter mit den direkt für mich wichtigen Punkten. Dieser Zaun ist jedoch leider das einzige, was man von meinem alten Kindergarten Sankt Peter und Paul, natürlich katholisch, sehen kann. Wenn man dem Weg auf der rechten Seite folgen würde, käme man direkt zum Huaptgebäude des Kindergartens. Aber dort durfte der Wagen von Google natürlich nicht einbiegen. Ganz eventuell ist übrigens einer der halb zu sehenden Bäume ein Kirschbaum, den wir vor vielen Jahrzehnten mit Hilfe von Kirschkernen versucht haben zu pflanzen. Vermutlich hat es aber nicht funktioniert.
Und damit weiter zu meiner Grundschule, der Eichendorff-Schule. Waren das 10 Minuten zu Fuß von unserem Haus entfernt? Viel mehr war es vermutlich nicht. Zu dem Eisentor, von dem aus die Kinder neugierig das Google-Fahrzeug betrachten, habe ich eine besondere Beziehung, seit ich beim Wettrennen auf dem Schulhof ausgerutscht und mit dem Kopf voll dagegen geknallt bin. Eine blutige Gesichtshälfte trug ich davon und ich wurde an der Lippe genäht. Die genau Stelle kann ich an meiner Unterlippe immer noch ertasten. Ob das Tor irgendwelche bleibenden Schäden davon getragen hat, ist dagegen nicht überliefert.
Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, aber damals war ich tatsächlich oft auf diesem Sportplatz zu finden, gleich gegenüber der Schule. Nicht nur, dass meine kurze Karriere als Fußballer hier seinen Anfang und sein Ende nahm, auch unter und auf den Bäumen drumherum trieben wir uns oft herum. Auch wenn ich den Eindruck habe, dass es damals noch mehr Bäume waren.
Ein Blick in die Strasse, in der ich aufgewachsen bin. Viel verändert hat sich nicht, nur kam es mir damals noch nicht so grau vor. Massive Wohnhäuser ohne grün, zubetonierte Innenhöfe. Aber man kannte die meisten der Nachbarn.
An dieser Stelle gab es früher den einzigen Supermarkt der Stadt, einen HL-Markt. Abgesehen davon, dass es die Marke mittlerweile eh nicht mehr gibt, scheint auch das Gebäude nun einen anderen Zweck zu haben.
Und auch in diesem Gebäude hat sich etwas getan. Früher gab es hier die Pizzeria Zu den drei Hasen (da kam das Essen her, wenn wir uns gaaaanz selten mal etwas haben liefern lassen) und eine Videothek (die älteren werden sich erinnern). Das historische Gebäude wurde in ein Wohnhaus umgebaut.
Und zum Abschluß ein Blick auf die Stelle ein paar Meter weiter, von der aus man das Dorf wieder verlassen konnte: Die Bushaltestelle. Also eine von den beiden Stationen. Von hier aus fuhr der Bus zunächst bis zur nächsten S-Bahn Station und danach weiter bis in die Kreisstadt. Meiner Erinnerung nach gab es nur diese eine Linie, die bedient wurde. Tickets wurden beim Fahrer gekauft, weswegen vor allem am Anfang des Monats dort sehr viel Geld über den Tresen wanderte.
In der Kreisstadt angekommen musste ich noch mit einem zweiten Bus in mein Gymnasium weiterfahren. Insgesamt war ich knapp eine Stunde von der Haustür bis in die Schule unterwegs. Die Kombination der beiden Busse führte dazu, dass am Nachmittag eine gefährliche Lücke von knapp zwei Stunden gab, in der ich nicht nach Hause hätte fahren können. Da musst also immer alles klappen mit der Fahrerei!
Das war also der kleine Ausflug in meine Kindheit. Und damit geht es zurück in die Großstadt. Oder vielleicht sogar zu euch? Sind eure Heimatorte bereits in Google Street View befahrbar?
Bildquellen: Google Street View Juli 2023, © Google, Titelbild: KI-generiert mit DALL·E (OpenAI) auf Basis einer eigenen Beschreibung.
2 Kommentare
bullion
Das muss für dich ja ein ziemlicher Nostalgieflash sein, diese virtuelle Reise. Ich habe das auch schon mit Orten meiner Kindheit gemacht, die allerdings alle nicht so weit weg sind, dass ich sie über die Jahre nicht doch einmal besucht hätte.
Nummer Neun
Das stimmt, weil wir von dort auch weggezogen sind, als ich so 13 oder 14 Jahre wer. Mehr als die Hauptstraße habe ich seit dem auch nicht mehr von dem Ort gesehen.