
KW 25/2025: 28 Years Later, Die Körperfresser kommen, Video Nasty, Been Stellar, Rapa und Kleiner Mann – was nun?
Happy Sunday!
Leider starten wir heute mit einer traurigen Nachricht: Der längste Tag des Jahres ist bereits vorbei, ab jetzt werden die Tage wieder kürzer. Ich weiß, dass will niemand hören, aber hey: Dafür haben wir nun wenigstens den kalendarischen Sommeranfang.
Sommer wie Winter am Start: Der mediale Wochenrückblick. Dieses Mal mit einem klassischen Roman und einem Sci-Fi Klassiker, einem aktuellen Kinofilm, zwei Serienstaffeln und etwas Musik. Oder anders gesagt: Ganz schön was los und der längste Rückblick seit Februar. Und von sechs bis neun Punkten ist alles dabei.
Vor einigen Jahren las ich von Hans Fallada den Roman Der Trinker, der mir sehr gut gefallen hatte und dem man sein Alter kaum anmerkte. Zeit wurde es also für ein zweites Werk von ihm. Meine Wahl fiel dafür auf seinen vielleicht bekanntesten Roman. Dieser erschien in schwierigen Zeiten und gelangte nur gekürzt in den Verkauf. Nun – gut 90 Jahre später – ist es gelungen, den Roman wieder in seiner Ur-Version zu rekonstruieren.
Hans Fallada – Kleiner Mann – was nun? (Deutschland, 1932) – 9 von 10
Klappentext: Zu brisant, um so gedruckt zu werden: Von der Urfassung des Romans, der Hans Fallada am Vorabend der Machtergreifung der Nazis zum international gefeierten Erfolgsautor machte, wurde ein Viertel noch nie veröffentlicht. Der Verkäufer Johannes Pinneberg und seine Freundin Lämmchen erwarten ein Kind. Kurz entschlossen heiratet das Paar, auch wenn das Geld immer knapper wird. Trotz Weltwirtschaftskrise und erstarkender Nazis nimmt Lämmchen beherzt das Leben ihres verzweifelnden Mannes in die Hand. In dieser rekonstruierten Urfassung führt ihr gemeinsamer Weg noch tiefer ins zeitgenössische Berlin, ins Nachtleben und in die von den „Roaring Twenties“ geprägten Subkulturen. Die politischen Probleme der damaligen Zeit werden so plastisch wie in wenigen anderen Texten.
Review: Man mag es kaum glauben, wenn man den Roman liest, aber ja: Er ist tatsächlich schon so alt. Trotzdem ist er immer noch aktuell. Die Auswüchse des Kapitalismus in Krisenzeiten, Angst vor Jobverlust, soziale Ausgrenzungen, politische Radikalisierung, die Verrohungen der Großstadt – man findet viele Anknüpfpunkte an die Sorgen des Kleinen Mannes Anfang der 1930er. Dazu kommt, dass Fallada mit Pinneberg und Lämmchen zwei echte Sympathieträger erschaffen hat, die in ihrer Naivität, ihrem Aufstiegsglauben und ihre Sorge um ihren noch ungeborenen Murkel sehr berührend sind. Sie sind für einander da, sie halten zusammen und glauben immer, dass sie es auch schaffen werden, wenn sie sich nur anständig benehmen, trotz aller Widerstände. Es sind meist Kleinigkeiten, einfache Sorgen, die sie mit uns teilen, aber sehr zu Herzen gehen. Selten habe ich so mitgelitten, wie mit diesen beiden. Mich gefreut, wenn sie sich etwas Gutes erarbeitet haben, und war mitfühlend, wenn Lämmchen die Erbsensuppe, die sie aufgesetzt hat, einfach nicht hinbekommen wollte.
Interessant sind auch die Nebenfiguren, denen sie immer wieder begegnen. Sei es Pinnebergs sozusagen Stiefvater, eine Art Lebemann, oder sein Arbeitskollege Heilbutt, und einige andere. Und im Hintergrund hörte man immer wieder von dem aufkommenden, großen Desaster dieser Zeit, den Nazis, von denen man sich eher fernhalten sollte. Fallada schafft es, einen Gesellschaftsroman zu schreiben und sich dabei nur auf die individuellen Lebensschicksale seiner Hauptfiguren zu beschränkten. Dabei musste ich immer wieder an John Steinbecks Früchte des Zorns (Review) denken, der einige Jahre später eine ähnliche, aber amerikanische Geschichte erzählt hat.
Der Verlag wirbt damit, dass der Roman nun endlich in der von Fallada geschriebenen Ursprungs-Version vorliegt. Die Erstausgabe war wohl damals gut ein Viertel kürzer – sei es durch Verdichtung oder durch Zensur, die Gründe lassen sich schwer nachvollziehen. Manche Stellen scheinen etwas ausufernder zu sein als nötig, vor allem im letzten Drittel gibt es vielleicht einige Längen. Insgesamt aber ein fesselnder Roman am Vorabend einer schlimmen Zeitepoche.
Fazit: Eine fesselnde, kleine Geschichte wird zu einem großen und unkaputtbaren Zeitportrait.
Rapa (Staffel 1, 6 Folgen, Spanien, Arte) – 6 von 10
Die Bürgermeisterin einer Stadt im Norden Spaniens wird ermordet aufgefunden. Die Aufklärung der Tat wird für die Polizistin Maite Estévez (Mónica López) und dem Lehrer Tomás Hernández (Javier Cámara), der die Leiche gefunden hat, zur Obsession. Gute Crime-Shows bestechen durch einen spannenden, emotionalen Fall und interessanten Ermittlern. Die Geschichte wird gut erzählt, setzt seine Twists überraschend, und liefert dazu passende Bilder. In einer Serie wie Broadchurch (9/10) kommen alle diese Punkte zusammen. Rapa funktioniert zumindest auf der technischen Ebene ganz gut und hat ein paar gelungene Twists – wie die Einführung der Figur der Norma (Lucía Veiga). Dagegen fand ich das Ermittler-Duo eher fade und auch der Fall selbst wollte bei mir nicht zünden – trotz der immer wieder betonten, politischen Tragweite (ein Erzählstrang, der auch nicht wirklich funktionierte) und den vermeintlichen Wurzeln in der Vergangenheit. So waren selbst die nur sechs Episoden teilweise etwas zäh.
Video Nasty (Staffel 1, 6 Folgen, UK, One) – 6 von 10
Um ihre Sammlung an indizierten Filmen zu vervollständigen, brauchen die beiden Teenager Billy (Justin Daniels Anene) und Con (Cal O’Driscoll) nur noch eine VHS-Kassette. Als sich die Möglichkeit auf das Band ergibt, machen sich die beiden mit Cons Schwester Zoe (Leia Murphy) auf den Weg, um den letzte Film zu besorgen. Die kleine Serie spielt im Jahr 1985, neben der Ausstattung tragen eingestreute Nachrichtenbeiträge für das richtige Zeitgefühl bei. Und klar, eine Serie über 1980er Horrorfilme muss natürlich auch mit den Klischees dieser Filme und deren Publikum spielen. So treffen sie natürlich bei der Suche auf einige seltsame und furchteinflößende Gestalten, während die Teenager dabei auch Entdeckungen über sich selbst machen. Man hätte sich gewünscht, dass die Serie dabei etwas mehr auf die Pauke haut und sich etwas mehr Kunstblut und Skurillitäten gönnt. So ist sie bis zum Ende zwar nett, aber für meinen Geschmack etwas zu brav.
28 Years Later (Regie: Danny Boyle, UK) – 8 von 10
Die Reihe bleibt sich treu und zeigt im dritten Film den dritten Cast. Das macht den Einstieg leicht, auch wenn man den fantastischen 28 Days Later (9/10) trotzdem gesehen haben sollte. Nun, 28 Jahre nach dem Ausbruch des Wut-Viruses, hat sich Großbritannien aus der Weltgemeinschaft verabschiedet. Das Land wurde aufgegeben und den mutierten Monstern überlassen. Lediglich einige wenige haben hier überlebt. Dazu zählt eine kleine Gemeinschaft auf einer Insel, zu der Jamie (Aaron Taylor-Johnson) und seine kranke Frau Isla (Jodie Comer), sowie deren Sohn Spike (Alfie Williams) gehören. Der Film setzt ein, als Jamie erstmals seinen Sohn mit aufs Land nehmen möchte, was quasi ein Initiationsritus ist. Auch dieser Film bietet reichlich Action mit den Infizierten – bei denen sich mittlerweile verschiedenen Klassen herausgebildet haben – jedoch etwas weniger als in den ersten beiden Filme der Reihe. Auch die Eingangssequenz ist im direkten Vergleich die am wenigsten eindrucksvollste Eröffnung. Das Urbane, was die anderen Filme auszeichnete, fehlt. Es spielt alles in der freien Natur – wodurch der Vergleich mit The Walking Dead wieder präsenter wird. Dafür hat der Film einen überraschenden Coming-of-Age Twist durch die Figur von Spike, die im Laufe des Films immer mehr in den Vordergrund tritt. Selbst wenn mir dessen Entwicklung etwas zu plötzlich ging, passt das doch ganz gut zur apokalytischen Umgebung. Auch die Figur von Ralph Fiennes, auf die sie unterwegs treffen, ist interessant und bietet einen anderen Zugang zu dieser Welt. Und noch ein dritter Aspekt: Klassischerweise entpuppen sich in solchen Szenarien die anderen Menschen als die wahren Monster – auch das findet sich hier dieses Mal nicht wieder. Insgesamt wirkt der Film dadurch nicht wie der x-te Aufguss eines bekannten Themas, sondern hat etwas recht eigenständiges. Sind die anderen beiden Teile spannender? Ja, sind sie. Trotzdem ist das hier eine willkommene Abwechslung, die sich gerade noch so auf die 8 Punkte retten kann.
Die Körperfresser kommen (Regie: Philip Kaufman, USA, 1978, Arte) – 7 von 10
Den Klassiker des Science-Fiction Films habe ich das erste Mal gesehen. Eine außerirdische Lebensform macht sich auf der Erde breit und ersetzt Menschen durch gefühllose Doppelgänger. Dr. Benell (Donald Sutherland) und seine Kollegin Elizabeth Driscoll (Brooke Adams) geraten dabei ins Zentrum dieser Invasion. Die – durchaus expliziten – Schockeffekte waren zu ihrer Zeit vermutlich schon ein größeres Thema, heute sehen sie vor allem sehr handgemacht auch. Der Film braucht ein wenig, um in die Gänge zu kommen. Besonders die erste Hälfte lässt kaum eine Verankerung im Genre vermuten. Die zweite Hälfte wird dann etwas größer und wilder und die Abschlußszene dürfte Fans von Pastewka bekannt vorkommen. Aus dem Thema der gefühllosen Doppelgänger hätte man vermutlich inhaltlich noch etwas mehr heraus holen können. Bemerkenswert noch die weiteren, recht bekannten Namen auf der Besetzungsliste: Leonard Nimoy und der noch junge Jeff Goldblum.
- Schnäppchenjäger: Kurzer Exkurs in die Nerd-Welt: BlueBrixx, der Hersteller von Klemmbausteinen (ja, das ist der Begriff für diese Kategorie), verliert demnächst seine Star Trek Lizenz. Man munkelt, dass sie an Lego gehen wird, aber das ist jetzt nicht das Thema. Jedenfalls leeren sie gerade ihre Lager und hauen die letzten Sets des Franchise raus. Und nach dem sie jetzt mehrfach ihre Preise gesenkt haben, bin ich nun doch schwach geworden und habe mir das Modell der Raumstation Deep Space Nine bestellt. Ca. 2.900 Klemmbausteine für nur noch 40€, das sind lediglich 1,4 Cent pro Baustein. Das zusammenzubauen könnte eine Beschäftigung für lange Winterabende werden. Danach muss ich einen Platz dafür in der Wohnung finden – aber dieses Probleme gehe ich erst an, wenn es akut wird.
- The Rolling Stones – Meine Playlist: Der Blog Die Nacht der lebenden Texte ist ausnahmsweise mal im Themenfeld Musik unterwegs und gibt seine Tipps zur legendären britischen Band.
Nach dem fantastischen Debutalbum von Been Stellar im Vorjahr (#3 in meinem Jahres-Ranking) und einem tollen Konzert (#4 in meinem Jahres-Ranking), erschien nun der erste neue Song seitdem. Er hört auf den Namen Breakaway und zumindest das Video zieht die Band ungewohnt aus der Dunkelheit ins Licht.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und habt einen guten Start in die neue Woche!
6 Kommentare
Sari Kroschel
Oh haben sie bei Blue Brixx die Sets nun doch reduziert? Dann muss ich doch nochmal schauen. Wir haben den Adventskalender damals geholt, einen Faser und zwei Raumschiffe. Die Bird of Prey in klein steht in der Vitrine. Deep Space Nine ist schon ein echter hIngucker, aber wie du sagst. Wo hin? Deshalb ist unser Millenium Falke noch original eingepackt *lach*
Nummer Neun
Fürchte aber, sehr viele Sets gibt es nicht mehr. Habe auch gehörigen Respekt vor den knapp 3000 Teilen und weiß noch gar nicht, wie man da am Besten anfängt.
bullion
„Video Nasty“ sah ganz interessant aus. Vielleicht schaue ich mal rein. Ein schöner Mediathekenfund auf jeden Fall.#
„28 Years Later“ will ich auch unbedingt noch sehen. Nicht im Kino, aber spätestens im Heimkino. Wenn die Kinder 18 sind. 😅
Der Blue-Brixx-Schnapper sieht toll aus! Hatte schon vom Lizenzwechsel gehört, aber noch nichts Konkretes. Top Preis, da wäre vielleicht sogar ich schwach geworden, wobei DS9 eine der Serien ist, von denen ich nur ein paar Episoden mitbekommen habe.
Nummer Neun
„Video Nasty“ ist auf jeden Fall ein nettes Format. Hätte es mir nur noch etwas bissiger gewünscht.
Ehrlicherweise wären die Raumschiffe vermutlich auch etwas hübscher als diese graue Raumstation. Aber wenn man Fan ist…
S.Mirli
Auch wenn ich den Sommer liebe, mag ich es, dass die Tage wieder kürzer werden. Wahrscheinlich stehe ich damit aber eher allein da … vielen Dank auf alle Fälle für die ausführliche Buch-Review. Ich habe den Roman tatsächlich noch nicht gelesen, werde das aber so bald wie möglich nachholen. Leider auch, weil man tatsächlich sehr viele Parallelen zur heutigen Zeit rauslesen kann.
Nur 28 days later werde ich wohl auslassen 😉
Eine fantastische neue Woche dir, alles Liebe, x S.Mirli
https://www.mirlime.at
Nummer Neun
Die Parallelen bzw. die Aktualität zur heutigen Welt hätte ich tatsächlich nicht in der Form erwartet!