Nnedi Okorafor – Lagune (Nigeria, 2014)
Intro: Ich gebe mit ja schon Mühe, um beim Lesen eine gewissen Genre-Bandbreite hinzubekommen. Und auch der internationale Background darf gerne recht verschieden sein. Und so fiel für Roman Nummer acht in diesem Jahr die Wahl auf die bereits mehrfach ausgezeichnete nigerianisch-amerikanische Schriftstellerin Nnedi Okorafor, eine der wenigen großen Namen im doch sehr von Männern dominierten Segment der Science Fiction. Ihr bekanntestes Werk ist vielleicht Lagune, das ich in der deutschen Übersetzung gelesen habe.
Klappentext: Chaos bricht aus, nachdem im Internet verbreitet wird, dass vor der Küste der fünft bevölkerungsreichsten Stadt der Welt Außerirdische gelandet sind. Bald darauf versuchen das Militär, religiöse Führungspersönlichkeiten, Diebe und Wahnsinnige zu kontrollieren, was für Informationen auf YouTube und in den Straßen verbreitet werden. In der Zwischenzeit beraten die politischen Supermächte über einen nuklearen Präventivschlag, der die Eindringlinge auslöschen soll. Alles, was zwischen siebzehn Millionen Einwohnern und dem Tod steht, sind ein außerirdischer Botschafter, eine Biologin, ein Rapper, ein Soldat und ein Mythos, bei dem es sich um eine gigantische Spinne handeln könnte, oder um einen offenbarten Gott.
Review: Überraschung, Überraschung. Die Außerirdischen landen mal nicht in den USA. Ja, es gibt noch nicht mal ein Monster, das Tokio dem Erdboden gleich macht. Und trotzdem funktionert die Geschichte gut. Die Aliens haben sich für ihren ersten Kontakt Lagos am Atlantik ausgewählt. Und die Stadt spielt die eigentliche Hauptrolle in diesem Roman. Denn sie ist groß, chaotisch, wild und ungezähmt.
Der Anstupser aus dem All sorgt dafür, dass das halbwegs bestehende Gleichgewicht in Lagos vollständig kippt und das Chaos sich seinen Weg bahnen kann. Die Schicksale von vier Personen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten werden hier zufällig durch die Außerirdischen verknüpft und sie wachsen als Gruppe zusammen. Die Außerirdischen selbst fühlten sich von ihrer Art her eher nach Fantasy-Figuren als nach Hard-Sci-Fi an, aber das ist wohl Geschmackssache.
Okorafor schafft es dabei ganz gut, die lokalen Besonderheiten zur Geltung zu bringen – sei es durch die Sprache der Figuren, als auch durch deren kulturellen und sozialen Hintergründe. Es gibt eine Vielzahl von Figuren, die nach und nach eingeführt werden. Anfangs war es etwas verwirrend, dass die Namen von allen zentralen Figuren mit A beginnen, aber nach einiger Zeit blickt man auch hier durch. Der Schreibstil ist recht flüssig. Manche Perspektivwechsel, die in einigen kurzen Zwischensequenzen eingeschoben werden, sind allerdings etwas gewöhnungsbedürftig und – ehrlich gesagt – nicht immer interessant. Aber sie sind kurz und daher schnell überlesen, so dass man sich gleich wieder der eigentlichen Geschichte widmen kann: Wie unterschiedlich gehen die Personen in Lagos mit dem Unbekannten um?
Fazit: Ein Roman über einen Erstkontakt, der mehr durch sein unverbrauchtes Setting punktet, als durch die eigentliche Geschichte.