Fahr Bus und Bahn,  Rund um den Schreibtisch

24h Berlin

Diesen Donnerstag musste ich für einen beruflichen Termin nach Berlin. Den Flug dahin hatte ich mir bereits in der Vorwoche für die Lufthansa gebucht, als pötzlich eine noch etwas unspezifische Streikmeldung für genau meine Flugtage rein kam. Ich hielt lange die Luft an, ob ich davon auch betroffen wäre, bis am Mittwoch zum Glück dieser Streik abgesagt wurde.

Also stieg ich Donnerstag, nach einem halben Tag im Büro, in die Maschine, traf dort meinen alten Vorgesetzten von meiner vorherigen Firma, und landete schließlich um kurz nach 3 in Berlin-Tegel. Habe mir ein Taxi geschnappt und mich zu meinem Hotel bringen lassen. Kurz ausgeruht, noch mal die Klamotten gerichtet und dann ging es weiter zu meinem Termin, gleich um die Ecke, in der Nähe vom KaDeWe.

Dort stand an dem Nachmittag etwas an, das ich in meinem Job nicht ganz so häufig habe, aber doch auch dazu gehört: Ich wurde Zeuge von zwei Gruppendiskussionen. Das heißt, ich saß hinter der abgedunkelten Scheibe im Nebenraum und sah und hörte zu, während im Hauptraum von einem Moderator eine Diskussion geführt wurde.

Meine Aufgabe bei diesem Projekt bestand dabei, für unsere Firma ein geeignetes Marktforschungsinstitut zu finden und zu beauftragen, diese Studie für uns durchzuführen. Dazu gehörte es zunächst, unsere Zielsetzung klar zu definieren, um ein konkretes Briefing zu erstellen um damit an verschiedene Institute heran zu treten. Danach musste ich das beste Angebot (im Sinne von Preis, Leistung, Know-How) der Institute auswählen. Als nächstes wurde zusammen mit dem Institut die Untersuchungsmethode entwickelt (mit den Gruppendiskussionen als wesentlicher Bestandteil), um daraufhin den Screening-Fragebogen zu entwickeln (mit dem fest gelegt wird, welche Anforderungen die Personen erfüllen sollen, die zu den Diskussionen eingeladen werden) und schließlich den Leifaden fest zu legen. Der Leitfaden beschreibt grob die Punkte, über die in der Gruppe gesprochen werden sollen und ist – im Gegensatz zu einem Fragebogen – eher locker und offen gehalten. Er beinhaltet aber schon, ob über verschiedene Punkte nur gesprochen werden soll, ob die Teilnehmer mit Hilfe einer Tafel verschiedene Sachen kategorisieren sollen oder ob sie z.B. ein komplexes Produkt etwas abstrakt als Person beschreiben sollen.

Und nun saß ich also hinter der Scheibe und sah zu, wie dieser Leitfaden zum Leben erweckt wurde. Wir hatten eine Männer- und eine Frauengruppe geladen, die tatsächlich gut über unser Produkt und unsere Branche Bescheid wussten. Die Teilnehmer hatten sichtlich Spaß an der Runde, was schon mal ein gutes Zeichen war, und äußerten ihre Erfahrungen, Probleme und Vorschläge relativ ungefiltert. Es war erstaunlich, welche Unterschiede teilweise zwischen der Männer und Frauen-Gruppe auftraten – Klischees sind oft gar nicht so falsch. Man merkte allerdings auch, sobald wir als Auftraggeber offensichtlich wurden, dass die Gruppen uns relativ wohlwollend beurteilten. Vieles von dem, was die Probanden sagten, war gar nicht so überraschend, sondern bestätigte unsere Vermutungen. Einiges war uns vorher aber auch nicht bewusst. Wenn man sich selbst die ganze Zeit mit dem eigenen Produkt beschäftigt, fallen einem manchmal die einfachsten Sachen nicht auf, weil man zu nah dran ist.

In der nächsten Woche wird die Studie noch etwas vertieft und längere Einzelinterviews geführt. Da bin ich aber erst einmal nicht mit dabei. Klar, wenn der Moderator schon die Befragten in ihren eigenen vier Wänden besucht, kann er nicht noch eine ganze Gruppe Schaulustiger mit anschleppen. In den nächsten Wochen wird das Institut schließlich für uns eine abschließende Präsentation erstellen, wobei sie die Schwerpunkte mit mir wieder abstimmen werden. Die finalen Ergebnisse werden dann kurz vor Weihnachten unserem Mangement-Team präsentiert.

Die beiden Diskussionen gingen jeweils knapp zwei Stunden, erst gegen 22 Uhr verließen wir das Institut. Zeit, um sich mit den beiden anderen Kollegen noch ein Feierabend Bier zu gönnen. Eins? Naja um vier war ich im Hotel. Ich war auch der einzigste, der am nächsten Tag wieder ins Büro musste.

Also stand ich am nächsten Tag um kurz vor 10, ziemlich übermüdet und mit einem leichten Brummschädel, wieder am Flughafen Tegel und musste zweimal auf die Anzeigentafel schauen, um es zu realisieren: Gecancelt. Die Lufthansa hatte meinen Rückflug gecanelt. Ohne Scheiß, ohne Streik. Ich wurde auf einen drei Stunden späteren Flug umgebucht.

Drei Stunden in Tegel, und wer den Flughafen kennt, der weiß, all zu viele Möglichkeiten hat man hier nicht, um die Zeit zu vertrödeln. Ich informierte erst einmal mein Büro, dass man am Nachmittag nicht mehr mit meiner Anwesenheit rechnen bräuchte, und tingelte danach ein wenig zwischen Starbucks, Zeitschriften-Laden (ein Star Wars Special vom Philosophie Magazin?) und irgendwelchen Bänken hin und her. Irgendwann war auch das überstanden, das Boarding begann und mit einer lächerlichen Verspätung von 15 Minuten setzte sich dieser Flieger schließlich irgendwann ab, zurück in Richtung München.

6 Kommentare

  • Christine

    Diese Streiks immer… mich hat es total genervt, als die Bahn immer so oft gestreikt hat. Da war ich ein paar mal auch beinahe betroffen und hatte dann immer doch noch Glück.
    Meine Großeltern sind in den Flugstreik hinein geraten…

  • bknicole

    Streiks nerven mich auch immer sehr. Habe den bei der Bahn damals ja ständig miterlebt und bin dadurch auch sehr oft nicht an die Uni gekommen. Das ist halt der Nachteil wenn man auf dem Land wohnt, da fahren dann auch kaum Busse und ohne Zug ist man dann so richtig aufgeschmissen. Weiß also wie nervend das ist, vor allem wenn man dann wo festhängt und Zeit todschlagen muss.

    Dein Projekt hört sich aber sehr spannend an ;).

    Danke auch für dein liebes Kommentar.
    Ich weiß ich ziehe jetzt den Ärger aller Fans auf mich, aber ich kann mit Star Wars echt so gar nichts anfangen. Habe bisher einen Teil gesehen und der hat mich jetzt nicht so umgehauen.

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