KW 16/2024: Das Millionenspiel, Charité, Widowspeak und der Dampfnudelblues
Happy Sunday!
Schon lange, bevor irgendjemand von einem Klimawandel sprach, wussten die Bauern bereits, dass der April, April macht, was er will. (Ob das auch den Bäuerinnen bekannt war, ist nicht überliefert). Der April 2024 erfüllt in dieser Hinsicht jedes Klischee. Und während ich vergangenes Wochenende bereits feierlich eine neue Tube Sonnencreme eröffnen konnte und zwei fantastische Tage am Chiemsee verbrachte, kippte danach das Wetter. Ungefähr 15° weniger, dafür Regen, Schneeregen und Hagel, machten aufkommende Frühlingsgefühle schnell wieder zunichte. Wenigstens gab es keine geschlossene Schneedecke, wie es in einigen früheren Jahren der Fall war.
In dieser Woche ist der mediale Rückblick sehr national geworden. Es gibt zwei Filme aus Deutschland, eine deutsche Serie und das Konzert einer amerikanischen Band, die immerhin auf Tour durch Deutschland war. Wie es sich doch manchmal so fügt. Und bitte:
Charité (Staffel 4, 6 Folgen, Deutschland, Arte) – 7 von 10
Das war eine mutige Entscheidung. Die erste Staffel spielte noch in den 1890er, die zweite im Jahr 1943 und die dritte zur Zeit des Mauerbaus 1961. Einige, mich eingeschlossen, rechneten damit, dass die vierte Staffel dann die Corona-Zeit beschreiben würde. Aber man hatte anderes mit der Serie vor und wagte den Sprung in die Zukunft. Nun schreiben wir das Jahr 2049 und die beiden Autorinnen Tanja Bubbel und Rebecca Martin konnten sich nicht mehr an historischen Ereignissen orientieren. Dafür mussten sie eine glaubwürdige Zukunftsvision entwickeln, welche die medizinische, technische, klimatische und gesellschaftliche Entwicklung der nächsten Jahrzehnte vorweg nimmt. Um diesen Punkt abzuhaken: Das hat tatsächlich ganz gut geklappt, die Zukunft scheint in sich ganz stimmig zu sein, zu sehr in die Details zu gehen wäre unfair. Die Story konzentriert sich auf eine Reihe von Ärzten und Ärztinnen, die an neuen Durchbrüchen im Bereich der Medizin arbeiten. Nun kann es recht schwer sein, eine fiktive, medizinische Lösung für ein fiktives Problem so zu erzählen, dass es emotional packend ist (Star Trek Fans kennen das Dilemma mit dem sogenannten Technobabble) und so funktioniert auch in Charité manche Erzählung besser als andere. Mir gefiel zum Beispiel die Geschichte rund um Neurobiologe Ferhat Williamson (Timur Isik) am Besten, weil sie nachvollziehbare Konflikte erzählte. Sollte die Medizin alles machen, was möglich ist, nur weil es möglich ist, obwohl es der Patient gar nicht will? Auch die Auswirkungen der in der Zukunft neusten Gesundheitsreform (mit einem Punktesystem und gläsernen Krankenakten) sind mit der Gründung einer Schattenklinik durch Chirurgin Seda Safadi (Adriana Altaras) für Kranke, die sich keine Behandlung leisten können oder die ihnen nicht zu steht, sind gut erzählt (auch wenn die eigentliche Reform noch sehr viel mehr Potential à la Black Mirror geboten hätte). Dagegen ist die Geschichte rund um Dr. Maral Safadi (Sesede Terziyan) um einen fiktiven Virus zu sehr Arztserie und zu wenig Historienserien als Ausgleich wie in den früheren Staffeln. Die Bedrohung durch das Virus wird nie wirklich greifbar. Leider steht genau diese Geschichte zu sehr im Fokus. Und den Höhepunkt der Serie, den Moment, wo viele Entwicklungen zusammen kommen, dann mit einem… naja, ich will nicht spoilern. Aber das hätte man durchaus innovativer lösen können. So ist diese Staffel insgesamt nicht perfekt und hat einige Schwächen. Den Mut jedoch, dieses Mal etwas völlig neues zu versuchen, darf man durchaus honrieren und so langt es schließlich noch für 7 Punkte.
Dampfnudelblues (Deutschland, 2013, One) – 7 von 10
Ist ja nicht so, als wenn ich mir in anderen Blogs nicht auch Empfehlungen holen würde. Und als Bullion neulich den ersten Eberhofer-Krimi (von Rita Falk und mit Sebastian Bezzel) empfohlen hat und der Film kurz danach im linearen TV zu sehen war, nahm ich mir den gleich auf und habe ihn nun selbst gesehen. Fazit: Kann man sich gut anschauen. Der Kriminalfall ist gar nicht so entscheidend, das Leben in der bayerischen Provinz mit den Schicksalen und unerfüllten Träumen der sympathischen Hauptfiguren ist der eigentliche Antrieb. Könnte mir vorstellen, dass das in den nächsten Teilen noch etwas ausgebaut wird, wobei ich auch befürchte, dass man die Kameraführung (die oft nah an den Gesichtern ist) und die Skurrilitäten ein Stück zu weit ausreitzt. Aber man wird sehen, denn das sind Probleme für die Zukunft. Und die liegt wohl auf Netflix, wo man sich im Moment alle Teile der Reihe ansehen kann.
Das Millionenspiel (Deutschland, 1970, WDR) – 9 von 10
Und dieser Fernsehfilm ist wirklich schon 54 Jahre alt? Man mag es kaum glauben, so aktuell scheint er in manchen Aspekten. So nahm er die Entwicklungen im Bereich des sogenannten Reality-TV und die des Privatfernsehens (mit teilweise sehr abgedrehten Werbespots) weit vorweg. Worum es geht: Bernhard Lotz (Jörg Pleva) muss im Rahmen einer großen Fernsehshow sieben Tage lang überleben, um den Hauptpreis von einer Million DM zu erhalten. Ihm auf der Spur ist eine Gangster-Bande (unter Führung von Dieter Hallervorden), die ebenfalls ein Preisgeld erhält, wenn es Lotz nicht zurück ins Studio schaffen sollte. Dort erwartet ihn Showmaster Uhlenhorst (Dieter Thomas Heck) für das finale Spiel. Der Film wird dabei fast konsequent als TV-Show erzählt, was ihn zu einer düsteren Mediensatire macht. Heck darf den perfekten, zynischen Moderator geben, der immer genug Mitgefühl heuchelt, um das Publikum mit Lotz mitfühlen zu lassen. In Form von Straßenbefragungen kommt dieses Publikum immer wieder selbst zu Wort und darf seine Einschätzung zur Show abgeben. In einer Nebenrolle ist als Reporter sogar der junge Heribert Faßbender zu sehen. In Rückblenden wird erzählt, wie Lotz in die Maschinerie des Reality-TV geraten ist – auch das ist sehr eindrucksvoll und erinnert an manche Clips aus den Joko & Klaas Formaten. Der Film ist flott geschnitten, aber gönnt sich auch einige Tanzszenen im Rahmen der Show. Wenn man etwas kritisieren mag, dann vielleicht, dass er in manchen Sachen etwas wiederholend ist, aber das war es auch schon. Das Millionenspiel ist ein eindrucksvolles Stück Fernsehgeschichte von Tom Toelle, auch noch 54 Jahre nach seiner Erstausstrahlung. (bis zum 08.07.2024 auch noch zu sehen in der ARD Mediathek)
Widowspeak (USA) – München, Milla
Am Montag war ich mal wieder auf einem Konzert, bei dem ich vorher nur ungefähr wusste, was mich erwarten würde. Freunde wollte zu einer Band mit dem Namen Widowspeak und ich habe mich zwei oder dreimal durch deren letztes Album auf Bandcamp gehört. Das gefiel und so war ich dabei. Und habe es nicht bereut.
Während die Band eigentlich nur aus Molly Hamilton (für den faszinierenden Gesang) und Robert Earl Thomas (für die ausufernden Gitarren-Soli) besteht, waren sie für den Live-Auftritt deutlich angewachsen. Aber es wirkte sehr eingespielt und stimmig, eine Band mit bestem Folk-Americana Sound und teilweise 1970er-Attitüde, unterstützt von einem Gesang, der mich stellenweise an King Hannah und ähnliche Bands erinnerte. Das Konzert wurde lebhafter und abwechslungsreicher, als ich es nach dem Studium ihres letzten Albums erwartet hatte. Zur Setlist kann ich mangels tieferer Kenntnisse der Band wenig sagen. Etwas seltsam war jedoch die Zugabe, als Molly alleine zurück auf die Bühne kam und noch einmal einen Song performte, sich der Rest der Band aber nicht noch einmal heraus traute. Machte aber nichts, es war auch so ein schöner Abend in einer gut gefüllten Milla.
Gesehene Spiele in dieser Saison: 23 von 30 Liga-Spielen = 77%.
Im Fan-Freundschaftspiel gegen Hertha BSC setzte der KSC seinen Lauf fort und sich mit 3:2 durch. Die souveräne Chancenauswertung machte den Unterschied. In der Tabelle liegen die Karlsruher nun auf Platz 5. Da der Relegationsplatz aber etwas zu weit weg für die letzten 4 Spiele (davon 3mal auswärts) erscheint, kann man sich ruhigen Gewissens auf die Planungen für die nächste Saison in der 2. Bundesliga stürzen. Dafür gibt es genug zu tun, denn aus dem erfolgreichen Rückrundenteam werden einige zentrale Spieler den Verein verlassen.
Und das war’s für heute. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und habt einen guten Start in die neue Woche!
4 Kommentare
bullion
Danke für die Verlinkung und den Tipp mit Netflix. Dann hätte ich mir die Filme ja gar nicht alle zulegen müssen, aber war ein Schnäppchen und am Ende mag ich sie so gern, dass ich sie auch in der Sammlung haben möchte. 🙂
Nummer Neun
Netflix hat sich die Reihe ja auch nur lizensiert – wer weiß, wie lange sie die haben werden. Und deine Scheiben werden irgendwann Teil des Erbes sein!
Stepnwolf
Oh, bei Widowspeak muss ich wohl mal genauer reinhören. Klingt interessant…
Nummer Neun
Könnte mir auch vorstellen, dass dir die Band gefällt.