Anleitung zum allein reisen
Rund um meinen letzten Urlaub in der Toskana wurde ich einige Mal gefragt, ob ich den wirklich alleine machen würde. Als ich das bejaht hatte, war oft die Reaktion, dass man sich das ja selbst nicht trauen würde. Das ist schade, weil es eigentlich keine große Sache und vor allem in Europa auch kein großes Problem ist. Was ich natürlich als Mann sage. Aber zurück zum Thema.
Ich war schon oft genug mit Freunden im Urlaub. Das ist auch eine spannende Erfahrung, man lernt sich noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen, und wird oft überrascht. Die Zeit im Urlaub kann dann wunderbar laufen, es kann aber auch mal nicht funktionieren. Alles schon erlebt.
Risikofreier ist es dagegen, wenn man alleine in den Urlaub fährt. Zwar kann es auch da überraschend sein, wenn man an sich eine neue Seite kennen lernt, aber das bringt einen ja auch weiter. Denn: Wer alleine unterwegs ist, muss sich zunächst einmal selbst genug sein und sich auch selbst beschäftigen können und wollen. Dafür unerlässlich ist, sich vorab Gedanken zu machen, was man denn eigentlich vor Ort anstellen möchte. Schließlich ist man für alles selbst verantwortlich. Unterkunft, Anreise, Freizeitprogramm.
Wie will man seine Urlaubstage verbringen? Man sollte vorher zumindest eine grobe Vorstellung haben. Treiben lassen durch eine fremde Stadt ist ja schön und gut, die besten Entdeckungen macht man ja meist eh, wenn man mal falsch abgebogen ist, aber eine gewisse Vorbereitung ist nicht verkehrt. Und auch wenn es nur darin besteht, die zentralen Plätze zu kennen oder sich zwei oder drei Museen herauszusuchen. Für was steht der Ort, was kann man nur dort machen? Diese Überlegung bedeutet nicht zwangsläufig, das Standardtouristenprogramm durchzuziehen, hilft aber, sich selbst eine Check-Liste aufzustellen. Zeit an den Grachten in Amsterdam verbringen? Check. Bolognese essen in Bologna? Check. Ein verrücktes Museum in Berlin besuchen? Check.
Solche Ziele zu haben ist wichtig, weil ansonsten – da darf man sich nichts vormachen – die Bequemlichkeit leicht gewinnt. Natürlich ist es verführerisch, morgens im Hotel einfach mal etwas länger liegen zu bleiben. Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden. Pläne dürfen sich ändern, man muss niemandem etwas beweisen. Aber wenn man dann schon ab dem Mittag nicht mehr weiß, was man mit dem Tag noch anfangen soll, kann das schnell auf das Gemüt schlagen. Es ist nur ein schmaler Grat zwischen dem Genießen der Ungebundenheit und der damit einhergehenden freien Zeiteinteilung auf der einen und der drohenden Langeweile auf der anderen Seite. Dann fühlt man sich nämlich wirklich schnell etwas verloren.
Auch besteht die Gefahr, wenn man immer nur das macht, was man selbst möchte (was ja prinzipiell etwas Gutes ist), das zu verpassen, woran man nicht denkt oder zu denen man keinen Bezug hat, weil diese Sachen sonst eher die anderen vorschlagen. Man muss also selbst für etwas Abwechslung im Programm sorgen und auch mal andere Dinge ausprobieren. So versuche ich mir auch mal Kunstmuseen anzuschauen, obwohl ich nicht der große Kunstkenner bin. Oder mir auch mal ein klassisches Konzert zu geben, was ja eigentlich nahe an meinen normalen Gewohnheiten ist, aber dann doch ein Stück anders.
Nun ist das alleine reisen nicht immer nur glamourös. Besonders am Abend muss man sich oft noch einmal aufraffen, um seine Unterkunft zu verlassen und etwas essen zu gehen. Dabei ist nicht nur die Entscheidungsfindung schwierig, wenn man es nicht auf etwas Bestimmtes abgesehen hat. Nichts ist schwieriger, als ein Restaurant zu finden, wenn man hungrig ist. Sah tagsüber noch jedes zweite Restaurant einladend aus, dreht sich das am Abend komplett und keines ist mehr gut genug. Irgendwas stört einem immer. Wie viele Kilometer ich am Abend schon abgespult habe, weil ich mich nicht entscheiden konnte!
Und wenn man dann doch endlich eines gefunden hat, hat in aller Regel genau dieses keine freien Tische mehr. Wenn man schließlich doch sitzt und die Karte studiert, muss man damit leben, dass die anderen Tische besetzt sind und man ein paar mitleidige Blicke erntet. Immerhin sitzt man die ganze Zeit nur passiv irgendwo rum und wartet darauf, dass man bedient wird. Zum Glück kann das Smartphone mittlerweile dafür sorgen, dass man sich beschäftigen kann und nicht nur leer und verloren in die Gegend starren muss. Wobei die Essenskultur in manchen Ländern auch etwas anders sein kann. So war es zum Beispiel in Kanada, wo es zum Beispiel komfortable Plätze am langen Tresen gab. Dort konnte man wirklich gut alleine sitzen, den Leuten hinter der Bar oder irgendwelchen Screens zuschauen und dadurch wurde das Warten etwas leichter.
Wenn ich alleine unterwegs bin, komme ich selten später als 21 Uhr ins Hotel zurück. Das ist einfach so, tagsüber kann ich mich besser beschäftigen als am Abend. Zwar kann ich mich dann im Hotel auch daran erfreuen, die Fotos des Tages als eine Art Trophäe durchzugehen. Oder mal in Ruhe ein Buch zu lesen, auch gerne mit einem Getränk aus der Hotelbar. Aber die große Action findet jetzt nicht mehr statt. Dafür versuche ich dann den nächsten Tag grob zu planen oder mache mir ein paar Notizen über den abgelaufenen Tag.
Wenn man alleine unterwegs ist, dann merkt man übrigens erst, dass es doch recht viele andere Alleinreisende gibt. Besonders in Zügen und an Bahnhöfen trifft man sie, Interrail sei Dank. Wenn es die Situation ergibt, ist da jeder für einen kurzen Plausch dankbar. Wo kommst du grade her? Was ist dein nächstes Ziel? Und wer doch mal ein Gruppenerlebnis braucht: Einen organisierten Tagesausflug kann man immer mal mitmachen, alternativ gibt es in vielen Städten ja auch Free Walking Tours.
Und natürlich sollte man sein Smartphone nutzen, um auch mit der Heimat in Verbindung zu bleiben. Man muss ja nicht gleich jeden Tag alle mit einer neuen, umfangreichen Bilderserie tyranisieren. Aber so zwei oder drei Highlight-Shots pro Tag gehen z.B. in Instagram-Stories immer. Und hilft auch, dass sich die Daheim-Gebliebenen weniger Sorgen machen.
Weil etwas passieren kann ja immer. Ich erinnere mich da an meinen persönlichen Horror-Flug auf dem Rückweg von Malta. Oder daran, als ich in Stockholm mal gestürzt war und schon dachte, ich hätte mir den Arm gebrochen. Was dann zum Glück nicht der Fall war. Und ich in dem Urlaub auch nicht alleine unterwegs war. Aber trotzdem. Kommunikationswege in die Heimat immer often halten. Und die Ruhe bewahren, falls wirklich mal was ist – selbst wenn man nur mal einen schlechten Tag hat. Am nächsten Tag ist es meistens wieder besser. Und wenn mal etwas schief läuft oder enttäuschend war, eine Woche später ist es oft die spannendste Geschichte.
Also nur Mut, traut euch – wer alleine verreisen kann, lernt viel über sich selbst und stärkt sein Selbtbewusstsein.
7 Kommentare
sori1982
Bei den ersten zwei Soloreisen vor vielen, vielen Jahren hatte ich noch etwas Hemmungen, die ich aber schnell überwinden konnte. Mittlerweile genieße ich es, alleine zu verreisen. Zugegeben, ich traue mich nicht, in jedes Land fahren zu können, aber neben Deutschland und Österreich sind Schweiz und Italien alleine ohne Weiteres machbar. Ich genoss die Abendessen in den jeweiligen Lokalen, indem ich entweder Buch gelesen oder handschriftlich Reisetagebuch geschrieben oder die Prospekte für den morgigen Tag studiert hatte.
Die Pandemie hat mir erst einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber das nächste Jahr blicke ich hoffnungsvoll entgegen.
Nummer Neun
Ah tatsächlich? Bei mir ist wirklich meist immer das entspannte Abendessen die Hürde. Frankreich und Spanien gehen bestimmt ähnlich leicht und auch Skandinavien sollte bestimmt auch gut alleine klappen. Ich drücke dir die Daumen, dass nächstes Jahr wieder mehr geht!
bullion
Für mich, der – außer geschäftlich – noch nie alleine verreist ist, ein sehr spannender Artikel. Beinahe schon reizvoll solch eine Reise, auch wenn es bei mir wohl nicht schnell vorkommen wird. Danke fürs Teilen! 🙂
Nummer Neun
Bei dir wären aber wahrscheinlich einige sauer, wenn sie zu Hause bleiben müssten 😉
bullion
Ja, das stimmt. 😅
Miss Booleana
Oh wie schön – eine Ode ans alleine reisen 😀 Ich bin einige Male alleine verreist. Manchmal freiwillig, manchmal unfreiwillig (Freunde abgesprungen oder krank geworden). Ich fand es jedes mal sehr erfüllend und habe viel erlebt, aber die Einsamkeit habe ich auch das eine oder andere Mal gespürt. Ich war auch einige Male wahnsinnig dankbar, dass ich es durchgezogen habe. Bspw. als ich während eines Hamburg-Urlaubs allein im Musical „Das Phantom der Oper“ war. Ich wusste, dass das keinem von meinen Freunden gefallen würde und war dann froh es durchgezogen zu haben. So auch Norwegen und Amsterdam.
Aber es gab eben auch die erwähnte Einsamkeit – die ist für mich während des Essens immer das schlimmste. Nur zwei Mal hatte ich auch brenzlige Situationen beim alleine reisen. Einmal fühlte ich mich verfolgt und hatte Gelinde gesagt richtig Schiss. Einmal hatte ich einen allergischen Schock oder sowas – ich weiß leider bis heute nicht worauf. Als ich da keine Luft bekam, war ich auch sehr verängstigt damit allein zu sein.
In den meisten Fällen ist es so wie du schreibst – Ruhe bewahren und alles klärt sich schon. Oder zur Rezeption durchrufen…
Grundsätzlich würde ich das alleine reisen jedem aber schwer empfehlen. Schon alleine damit man das „sich selbst genug sein“ mal ausprobiert hat. Denn ich glaube das wird schwer vernachlässigt ..
Nummer Neun
Danke für deinen Kommentar – das kann ich auch alles so bestätigen. Brenzlige Situation kann es ja immer mal geben, dass ich zu Hause ja ähnlich. Nur in der Fremde weiß man sich dann vielleicht nicht zu helfen. Deshalb ist der Hinweis mit der Rezeption auch sehr gut – das ist ein Vorteil von Hotels gegenüber privaten Appartements, wo dann vielleicht nicht gleich jemand erreichbar ist.