Der richtige Ton,  Was mit Medien

KW 44/2022: Unschuld, Alvvays, Errementari, Battlestar Galactica und Hinterland

49 ist das neue 9! Nein, ich werde diese Seite hier nicht umbenennen. Es geht um das frisch beschlossene 49€ Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, dass im besten Falle schon im Januar 2023 startet. 49€ ist immer noch zu viel für viele, die es dringend bräuchten, sagen einige. Es wäre deshalb eine Überlegung, ob man den öffentlichen Nachverkehr nicht komplett kostenfrei anbieten könnte.

Unrealistisch? Nun, es gibt ja schon genug andere Serviceleistungen, die nicht vom Endkunden bezahlt werden. Privatfernsehen zum Beispiel. Oder Google. Oder Instagram. Hier fallen für den Bereitstellenden des Dienstes auch immer Kosten an, die jedoch nicht vom Verbrauchenden der Dienstleistung bezahlt werden, sondern von der Werbeindustrie. Der Verbrauchende wird so zur eigentlichen Ware, nämlich zu einem Kontakt für eine Werbebotschaft. Dazu ein Schnappschuss, den ich vor einigen Jahren in meinem Südkorea-Urlaub gemacht hatte (der Herr auf der rechten Seite des Bildes deutet in diesem Moment auf ein Detail, also keine Sorge).

Wie wäre das? Überall Monitore mit lauten Werbebotschaften, bunt-verkleidete Bahnen, Produktpräsentationen und dazu weiterhin die Förderung durch Länder und Gemeinden – ist das die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs? Der nächste Halt Karlsplatz/Stachus wird ihnen präsentiert von: McDonalds. Will man das?

Der zehnte Roman in diesem Jahr ist ausgelesen, damit habe ich mein Ziel erreicht. Dieses Mal fiel die Wahl auf den amerikanischen Autor Jonathan Franzen, von dem ich bereits Freiheit (mein Roman des Jahres 2014) und Die Korrekturen (Platz 2 in 2019) gelesen habe. Kann auch Unschuld die hohe Qualität des Autors bestätigen?

Jonathan Franzen – Unschuld (USA, 2015) – 8 von 10

Klappentext: Die junge Pip Tyler weiß nicht, wer ihr Vater ist. Das ist keineswegs ihr einziges Problem: Sie hat Studienschulden, ihr Bürojob in Oakland ist eine Sackgasse, sie liebt einen verheirateten Mann, und ihre Mutter erdrückt sie mit Liebe und Geheimniskrämerei. Pip weiß weder, wo und wann sie geboren wurde, noch kennt sie den wirklichen Namen und Geburtstag ihrer Mutter. Als ihr eines Tages eine Deutsche beim «Sunlight Project» des Whistleblowers Andreas Wolf ein Praktikum anbietet, hofft sie, dass der ihr mit seinem Internet-Journalismus bei der Vatersuche helfen kann. Sie stellt ihre Mutter vor die Wahl: Entweder sie lüftet das Geheimnis ihrer Herkunft, oder Pip macht sich auf nach Bolivien, wo Andreas Wolf im Schutz einer paradiesischen Bergwelt sein Enthüllungswerk vollbringt. Und wenig später bricht sie auf.

Review: Man erkennt Franzen sofort wieder. Unglaublich flüssiger und unterhaltender Erzählstil, fast im Plauderton wird die Geschichte erzählt, auch in der deutschen Übersetzung. Die Figuren wirken durch die umfangreichen Schilderungen ihrer Biographien äußert lebendig und wenn man nach und nach auf den 830 Seiten die Verbindungen zwischen den Figuren entdeckt, entsteht ein spannedes Geflecht der Handlung. Wo Jonathan Franzen draufsteht, ist auch Franzen drin.

Im Gegensatz zu den beiden anderen Romanen, die ich vorher von ihm kannte, ist diese Geschichte aber größer. Zwar stehen auch hier wieder die Familien und die sozialen Gruppen rund um die Hauptfiguren im Fokus, aber das hier ist epischer. Die Geschichte umfasst mehrere Jahrzehnte und spielt in den USA, in Bolivien und in Ost-Deutschland. Es geht um die letzten Tage der DDR und die ersten Tage des Internets und um Whistleblower. Das hier ist nicht die kleine Geschichte einer Familienchronik, das ist die große, weite Welt. Und was sich in den anderen Romanen sehr harmonisch zu einer Geschichte zusammenfügte, wirkt hier vielleicht etwas zu konstruiert und könnte einer Soap entliehen sein. Aber wenn das jemand hinbekommt, diese große Geschichte und die roten Fäden zusammenzuhalten und so unterhaltend zu erzählen, dann ist das wohl Franzen.

Fazit: Ein typisch unterhaltsamer Jonathan Franzen Roman: Familenkonflikte in einem ungewohnt großen Rahmen, quer über die Jahrzehnte und Kontinente.

Nachdem ich in den letzten Monaten mit For All Mankind die neuste Serie von Ronald D. Moore eingeschoben habe, ging es nun weiter mit seinem alten, großen Projekt:

Battlestar Galactica (Staffel 3, 20 Folgen, USA, Peacock) – 8 von 10

Der Rückzug der Zylonen war nur von kurzer Dauer: Seit vier Monaten haben die einst von Menschen erschaffenen Androiden die Kolonie Neu Caprica besetzt. Unterdrückt von Präsident Baltar (James Callis) und seiner Polizeitruppe, haben die Bewohner nur noch zwei Hoffnungen: ihre Widerstandsbewegung und die Rückkehr von Admiral Adama (Edward James Olmo) und seiner Flotte.

Die Serie scheut sich auch in der dritten Staffel nicht vor schweren Themen. Es geht um Unterdrückung, Untergrundkämpfe, Kollaborationen mit dem Feind und wie man danach mit den Tätern in den eigenen Reihen umgeht. Es geht aber auch um die Moral in der Flotte, die Rolle der einfachen Arbeiter und wie weit man gehen darf, um einen Konflikt zu gewinnen. Das klingt jetzt sehr kryptisch, aber bei der Vielzahl an Themen und wegen des Vermeidens von Spoilern sei nur gesagt, die Serie geht nicht den einfachen Weg, sondern versucht, mehrere Seiten zu zeigen. Das alles ist eingebettet in ordentliche Weltraum-Action und fremde Welten und mit mittlerweile sehr vertrauten Figuren. Die Kehrseite dieser Staffel ist dagegen: Der kurze Zeitsprung zu Beginn ist zunächst etwas verwirrend und diese Staffel baut so einige Füllerepisoden ein, die schon sehr unnötig und recht langweilig sind. Die sollen aber nicht den verdienten 8 Punkten im Wege stehen.

Errementari – Der Schmied und der Teufel (Spanien, 2017, Netflix) – 6 von 10

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts in Spanien galt: Leg dich nicht mit dem Teufel (Eneko Sagardoy) an. Außer du bist Schmied (Kandido Uranga). Man kann den Horrorfilm ganz gut weggucken, auch wenn sich leicht einige Kritikpunkte finden lassen. Wie zum Beispiel, dass er den Spagat zwischen Fantasyhorror und etwas Comedy nie so richtig hinbekommt und sich dadurch selbst einiges an Atmosphäre raubt. Besonders die Flapsigkeit des Satans hat für mich oft nicht so richtig gepasst, obwohl dessen Creatue Design eigentlich ganz gut gelungen ist. Und auch die schauspielerischen Qualitäten besonders der Nebenfiguren fällt immer wieder etwas negativ auf. Unterhält aber trotz allem ganz gut.

Hinterland (Österreich, 2021, Sky Cinema) – 5 von 10

Der Kriegsrückkehrer Perg (Murathan Muslu) wird am Ende des ersten Weltkrieges wieder in seinem eigentlichen Job als Kriminalbeamter gebraucht, da in seiner Heimat Wien ein Serienmörder umgeht. Die eigentlich interessante Story wird aber durch die kunstvolle Optik in den Hintergrund gerückt. Dabei sind es genau diese optischen Hintergründe, die irritieren. Vor Bluescreen gedreht durchstreifen die Figuren das alte Wien, welches steril und surreal, mit veränderten Proportionen und krumm und schief, als Hintergrund dient. Dieser kunstvolle Ansatz hat für mich leider nicht funktioniert und verhindert, dass ich mich in die Story hineinversetzen konnte.

Von Blush Always in der Vorwoche zu den Kanadiern von Alvvays. Die haben dieser Tage mit Blue Rev ihr drittes Album veröffentlicht und ist seitdem bei mir im gehobenen Dauereinsatz. Sehr shoegazig sind sie mittlerweile unterwegs, begleitet von Molly Rankins zarter Stimme. Besonders angetan hat es mir bisher Easy on your own? – der zweite Track des Albums. Viel Spaß damit.

Gesehene Spiele in dieser Saison: 14 von 15 Liga-Spielen = 93 %.

Nach einem der schwächsten Auftritte der laufenden Saison verliert der KSC mit 1:4 zu Hause gegen Holstein Kiel. Natürlich war der Spielverlauf unglücklich, natürlich waren die ersten beiden Gegentore vermeidbar, aber darauf kann man sich nicht jede Woche berufen. Wenn das Pech ein System hat und aus Unkonzentriertheiten in der Defensive und Unabgestimmtheit in der Offensive beruht, dann gibt es doch einiges zu tun. Es war jetzt die vierte Niederlage in Folge in der Liga und Coach Eichner muss jetzt zeigen, dass er das Ruder auch wieder rumreißen kann. Jetzt gibt es noch zwei Spiele in der nächsten Woche vor der langen Winterpause, darunter das im Umfeld sehr emotional gesehen Spiele gegen Kaiserlautern. Wenn in den beiden Spielen nichts zählbares auf das Punktekonto kommt, wird es ein unruhiges Weihnachten.

  • Doppel-Wumms: Ein Mitbringesel aus meinem Italien-Urlaub waren Gewürzmischungen für Carbonara und für Pasta aglio, olio & peperoncino. Letztere Mischung habe ich diese Woche das erste Mal ausprobiert und mich bei der Zubereitung schon gewundert, dass ich laut Packungsbeilage deutlich weniger zu nehmen hatte als bei der Gewürzmischung, die ich zuletzt hatte. Nach dem ersten Bissen war mir dann klar warum. Hölle, war das scharf!
  • Apple TV: Dieser Tage ist nun mein Apple TV Abo ausgelaufen. Nach den drei Freimonaten hatte ich noch einen bezahlten Monat dran gehängt. Insgesamt war ich mit dem Angebot sehr zufrieden. Es ist zwar bei weitem nicht so umfangreich wie bei den großen Playern, bietet aber dafür eine hohe Qualität im Serien- (For All Mankind, Severance, Ted Lasso) und Filmbereich (Coda). Etwas unglücklich fand ich die wabbelige Abgrenzung zwischen Inhalten, die im Paket enthalten sind, und den zusätzlichen Kauf- und Leihinhalten. Da meine drei genannten Serien eine Fortsetzung erhalten, bin ich im kommenden Jahr aber bestimmt auch wieder dabei.
  • What to do in Costa Rica: Lust auf etwas Reisefieber? Ines von morgenwirdgestern war für drei Wochen in Mittelamerika und schreibt ausführlich über ihre Reiseerfahrungen.
  • Unterwegs in „Klein Kanada“: Obwohl es der Titel vermuten lässt, geht es beim Reisebericht von Krimiundkeks nicht ganz so weit weg. Eine Wanderung in Bayern war das Ziel.
  • Das perverse Turnier: Die 11Freunde über die WM 1978 zu Zeiten der Militärdiktatur in Argentinien.
  • Die unmögliche Debatte um den Tod einer Radfahrerin: Ausgesprochen differenziert befasst sich Stefan Niggemeier für Übermedien mit dem tragischen Unfall der Berliner Radfahrerin und dem Zusammenhang zur Straßensperrung als eine Form des Protests.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und habt einen guten Start in die neue Woche!

2 Kommentare

  • S.Mirli

    Ganz ehrlich, mir wäre es ziemlich egal, wenn ich bei der Busfahrt mit Werbung zugeballert wäre, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel dafür gratis angeboten werden würden. Gefühlt steigen bei uns monatlich die Preise, weshalb man es auf diese Art nie schaffen wird, dass öfter aufs Auto verzichtet wird. Gut, hohe Spritpreise tun´s aus 😉 Jedenfalls, euer 49€ Ticket finde ich ganz großes Kino, davon können wir hier nur träumen, denn gerade die österreichische Bahn ist teilweise unleistbar.
    Oh, und Gratulation zum erreichten Leseziel! Ich wünsche dir eine fantastische Woche, alles Liebe, x S.Mirli
    https://www.mirlime.at

    • Nummer Neun

      Wobei das 49€ Ticket aber keinen Fernverkehr beinhalten würde, sondern nur Nah- und Regionalverkehr. Aber gibt es in Wien nicht das 365€ Jahresticket? Finde ich auch nicht schlecht.

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