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Fantasy Filmfest Nights 2022

Wenn es noch Konstanten in diesen Zeit gibt, dann gehört wohl ausgerechnet das Fantasy Filmfest mit dazu. So wie bereits im vergangenen Jahr gab es auch in 2022 wieder eine XL-Ausgabe der Nights mit einem kompakten Programm an vier Tagen.

In der Hoffnung, die Perlen aus dem Angebot gefischt zu haben, habe ich mich im Vorfeld auf diese vier Filme festegelgt. Habe ich mich von den richtigen Texten und Trailern ködern lassen? Zumindest geographisch habe ich dadurch einen guten Querschnitt gefunden: USA, Frankreich, Finnland und Iran. Aber hat mich meine Auswahl auch qualitativ überzeugt? Hier die Reviews in chronologischer Reihenfolge:

X (USA) – 7 von 10 Punkten

Pressetext: 1979: Es ist die Zeit, in der Pornos noch auf richtigen Drehbüchern basierten, der Boom des VHS-Markts – der den Horrorfilm in ungeahnte Höhen katapultierte – unmittelbar bevorstand und ein Kultfilm namens Deep Throat den Erwachsenenfilm salonfähig machte. In diesem Kontext macht sich eine junge, motivierte Filmcrew (Mia Goth, Brittany Snow und Kid Cudi als Protagonisten und Own Campbell und Jenna Ortega für Jobs hinter den Kulissen) ins ländliche Texas auf, um in aller Abgeschiedenheit den hoffentlich nächsten Erfolgspornostreifen The Farmer’s Daughter zu drehen. Die vom Produzenten (Martin Henderson) sorgfältig gescoutete Location hat eine Menge Produktionswert zu bieten, befindet sich aber in Nachbarschaft zu einem einheimischen Rentnerpaar. Der geschätzt 100-jährige Hausherr (der 64-jährige Stephen Ure) ist nicht begeistert von der anzüglichen Truppe. „Remember, my wife is just next door!“ warnt er noch, aber da haben sich die lebenslustigen Hippies schon längst die Klamotten vom Leib gerissen – mit fatalen Folgen.

Fazit: X war der Eröffnungsfilm in diesem Jahr und im Vergleich zu manch anderen Eröffnungen in den Vorjahren schlägt dieser hier sich ganz wacker. Das liegt nicht unbedingt an der ersten Hälfte des Films, in der wir mit der Filmcrew (etwas arg) langsam die abgeschiedene Farm entdecken. Der Pornodreh als solches ist nicht mehr als das, was es ist – da gibt es keine große Hinterfragung oder bemerkenswerten Twist, um die späten 1970er in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Manche Spielereien sind ganz nett – wie der Zusammenschnitt der Handlung des Pornos mit dem Zusammentreffen mit den alten Farmbewohnern oder auch die Metaebene mit der Diskussion über Genre-Filme – ist aber wenig konsequent und selten mehr als jeweils eine einzelne Szene. Und der Horror wird hier mehrmals nur enttäuschend angeteasert. Erst mit dem toll inszenierten Tritt auf den Nagel legt der Film so richtig los und lässt in der zweiten Hälfte das Blut spritzen und findet eine tolle Balance zwischen deftiger Comic-Gewalt und lustiger Situationskomik. Das funktioniert ausgesprochen gut und da wir die Personen in der ersten Hälfte doch ganz gut kennen und schätzen gelernt haben, leidet man auf dem Kinosessel auch ein wenig mit. Das sollte insgesamt dann auch ein mainstreamiges Slasher-Publikum ansprechen können.

Zalava (Iran) – 7 von 10 Punkten

Pressetext: Iran 1978: Am Vorabend der Revolution wird ein Polizist in ein abgelegenes kurdisches Bergdorf beordert, um einen Unfall aufzuklären. Hier, in Zalava, das vor 100 Jahren vom fahrenden Volk gegründet wurde, scheint die Zeit stehengeblieben und die Einwohner leben in angsterfülltem Aberglauben an blutrünstige Dämonen, die sich in ihrer Gemeinschaft verstecken. Zusammen mit der jungen Ärztin Maliheh (Hoda Zeinolabedin) versucht Sergeant Masoud (Navid Pourfaraj) gegen die Rituale vorzugehen, mit denen sich die Menschen vor der teuflischen Gefahr schützen wollen. Doch nicht zuletzt ein zwielichtiger Exorzist (Pouria Rahimi Sam) und ein gläserner Behälter stellen ihren rationalen Glauben in Frage. Derweil braut sich im Hintergrund ein düsteres Unheil zusammen.

Fazit: Mit der Bewertung von Zalava habe ich mich in diesem Jahr am schwersten getan. Als die Lichter im Kinosaal wieder angingen, war ich zunächst noch etwas enttäuscht, aber das lag vermutlich eher an einer falschen Erwartungshaltung von mir. Je länger ich dann über den Film nachdachte, um so mehr wuchs er für mich dann doch noch. Relativ unstrittig ist es, den Film für seine Kulisse zu loben. Den Iran von vor über 40 Jahren auf die Leinwand zu bringen hat jedenfalls für mich als unbedarften Mitteleuropäer sehr gut funktioniert, das fühlte sich authentisch und hochwertig an und obwohl es durchaus eine andere Welt ist, findet man sich zurecht und versteht die Spannungsverhältnisse dieser Zeit. Und nun zu meinen falschen Erwartungen, man möge mir den Spoiler verzeihen: Es ist kein klassischer Dämonen- oder Exorzismus-Film. Aber im Grunde spielt er genau mit dieser Erwartung und präsentiert auf der einen Seite den rationalen Polizisten, der keine Verbindung zur Gemeinschaft aufbauen kann und auf der anderen den Scharlatan, der aber genau dadurch den Dorffrieden herstellen kann, weil er auf deren Ängste und Aberglauben eingeht. Der ganze Konflikt gipfelt schließlich in der Glaubensfrage, ob in einem Glas nun ein böser Dämon gefangen ist oder nicht. Und das ist dann schon spannend umgesetzt und wird von einem guten Finale gekrönt, so dass sich der Film zumindest die 7 Punkte doch redlich verdient hat.

Incredible But True (Frankreich) – 6 von 10 Punkten

Pressetext: Eigentlich könnte jeder Film von Quentin Dupieux so heißen. Wieder einmal mehr schafft es der Meister des absurden französischen Kinos, aus einer einzigen (aber zugegeben sehr guten!) Idee seinen ganz eigenen Überraschungstrip zu zimmern: Alain (Alain Chabat) und Marie (Léa Drucker) kaufen sich ein Haus. Dies besitzt einen „Clou“, erklärt der Makler und führt sie zu einem Loch im Keller. Wenn sie bereit sind, in dieses Loch hinabzusteigen, wird sich ihr Leben auf immer verändern. Unglaublich, aber wahr!?

Fazit: Der Pressetext ist von daher falsch, dass dem Film nicht nur eine, sondern gleich drei sehr gute Was-wäre-wenn Ideen zu Grunde liegen (die Ideen hier zu nennen wäre ein dicker Spoiler). Daraus wurde ein 74-minütiger Film gestrickt, der sich dankenswerterweise nicht mit den Hintergründen der Ideen beschäftigt, sondern damit, wie die Protagonisten darauf reagieren. Vor zwei Jahren sah ich von Dupieux den Film Mandibles (den mit der Fliege) und war davon sehr begeistert. Das kann dieser hier nicht ganz wiederholen. Zwar hat auch der Film viele Schmunzler, aber die Story ist etwas zu dünn. Die Enthüllung des Clous wird zu Beginn richtig zelebriert und herausgezögert – das funktioniert zwar gut, ist aber auch sehr künstlich in die Länge gezogen. Und im letzten Drittel gibt es dagegen auf einmal eine Stelle, in der die Handlung fast wie im Schnelldurchlauf vorgespult wird, als wäre das selbst dem Regisseur zu flach gewesen. Und nunja, was Marie mit der Entdeckung vor hat, lässt sich relativ schnell erraten, und das, was Alains Chef (Benoît Magimel) widerfährt, ist etwas arg platt (aber lustig). Unterm Strich bleibt eine originelle Grundidee, die man gerne noch etwas liebevoller hätte umsetzen können.

Hatching (Finnland) – 8 von 10 Punkten

Pressetext: Die junge Tinja (Siiri Solalinna) lebt mit ihrer Bilderbuchfamilie in einer scheinbar perfekten Welt, doch unter der strengen Ägide ihrer lifestylebesessenen Mutter (Sophia Heikkilä) beginnen ihre eigenen Träume bereits zu bröckeln. Eines Tages endet ein bizarrer Zwischenfall mit einem toten Vogel, und als Tinja ein seltsames Ei im angrenzenden Wald findet, nimmt sie es kurzerhand mit nach Hause – nicht ahnend, was dieses immer weiter wachsende Gebilde bald in die Wirklichkeit entschlüpfen lassen wird. Ein monströser Albtraum beginnt

Fazit: Wenn schon die heile Welt ein Albtraum ist, wie soll dann erst der Ausbruch daraus sein? Tinja wächst in einem sterilen und gesichtslosen Hygge-Umfeld auf – die Mutter trimmt alles darauf, dass es in ihrem Blog gut aussieht und der Vater hat sich emotional komplett zurück gezogen und scheut jeden Konflikt. Mit dem gefundenen Ei und der daraus entstehenden Kreatur wächst auch Tinjas Wunsch auszubrechen aus dem ihr aufgedrücktem Korsett, willkommen in der Pubertät! Selbst wenn man diese offensichtliche Interpretation ignoriert, hat man einen spannenden Film um einen monsterhaften Eindringling in die heile Vorstadtwelt, welcher eine mysteriöse Verbindung zur Hauptfigur zu haben scheint. Da das alles eingebettet ist in schöne Bilder und auch noch angenehm flott erzählt wird, macht das Hatching zu meinem Highlight des Festivals.

***

Und damit endeten für mich die Fantasy Filmfest Nights XL. Das Niveau war ganz gut, eine richtige Enttäuschung war nicht dabei, dafür war meine Zusammenstellung zudem recht abwechslungsreich. Nach anderen Kritikern zu urteilen habe ich das ein oder andere Highlight verpasst (für das gesame Programm empfehle ich gerne den Wortvogel), aber auch das ist ja Teil des ganzen Festival-Spaßes.

Im Herbst wird das große Filmfest mit acht Tagen Programm stattfinden – mal sehen, ob sie das Niveau halten werden können.

4 Kommentare

  • flightattendantlovesmovies

    Na ist doch ein guter Schnitt, keine Gurke darunter. 😃„X“ hat mir ja auch gefallen, zumindest so sehr, dass ich auf das Prequel gespannt bin. Hast Du erkannt, dass Mia Goth auch die Alte spielt? „Hatching“ hört sich für mich am Besten an, hoffentlich kann man den auch irgendwann normal im Kino sehen.

    • Nummer Neun

      Was ernsthaft?? Na das erklärt, warum ich nirgendwo einen Namen für die Schauspielerin der Alten gefunden habe 😀

      Hatching taucht bestimmt noch auf ein paar Festivals auf. Der Vertrieb liegt wohl bei wildbunch.

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