Was mit Medien

Han Kang – Die Vegetarierin (Südkorea, 2007)

Intro: Was denn, schon wieder eine Buchkritik? Die Antwort ist offensichtlicherweise: Ja! Liegt daran, dass die letzte Kritik erst relativ spät online gegangen ist und nun mein elfter Roman in diesem Jahr eher ein Sprint war. Es handelte sich um das international bereits ausgezeichnete Werk Die Vegetarierin der Südkoreanerin Han Kang.

Klappentext: Ein seltsam verstörendes, hypotisierendes Buch über eine Frau, die laut ihrem Ehemann an Durchschnittlichkeit kaum zu übertreffen ist – bis sie eines Tages beschließt, kein Fleisch mehr zu essen.

Review: Vielleicht mal das wichtigste gleich zu Beginn, um einige erste Gedanken zu diesem Buchtitel gleich zu entkräften: Die Vegetarierin wird niemanden zu einem Vegetarier machen, der Roman versucht es nicht einmal. Vielmehr beschreibt er, wie die Umwelt im sehr konservativen Südkorea auf Yeong-hye, so der Name der Titelfigur, und ihre neue, (entgegen des deutschen und auch englischen Titels) vegane Ernährung reagiert.

Das Buch ist dreigeteilt. Zu Beginn wird Yeong-hye aus der Sicht ihres Ehemanns beschrieben, im mittleren Drittel aus der Perspektive ihres Schwagers und zum Schluß wird der Blickwinkel der Schwester eingenommen. Die Vegetarierin selbst kommt also nicht zu Wort, wir erfahren nur durch Dritte, wie sie sich immer weiter von ihrer Umwelt entfernt. Und diese Entfernung ist tatsächlich sehr drastisch. Mit dem Fleischverzicht geht es nur los, im Laufe ihrer Entwicklung sieht sie sich selbst immer mehr als Pflanze an.

Eine realistische Geschichte sollte man nicht erwarten, sie driftet gegen Ende immer mehr ins Surreale ab. Es ist eher eine Geschichte über Erwartungen (wie von ihrem Ehemann, der eine durchschnittliche Frau heiraten wollte) und Projektionsflächen (wie von ihrem Schwager, bei dem sie sexuelle Wünsche auslöst) und wie die Gesellschaft mit abweichendem Individualismus umgeht (und sie in die Psychatrie steckt). So eine Interpretation (oder eine ähnliche) muss man allerdings schon im Hinterkopf behalten, die vordergründige Handlung ist dagegen nämlich relativ belanglos. Die knapp 190 Seiten füllt das noch ganz gut, sie lassen sich auch in der deutschen Übersetzung von Ki-Hyang Lee recht flott durchlesen, ich war aber auch froh, dass es dann schon wieder vorbei war.

Fazit: Wer mal etwas anderes lesen möchte, ist bei Die Vegetarierin genau richtig, auch wenn der surreale Ansatz sehr polarisieren wird. Aber es ist ein kurz und schmerzloses Experiment.

4 Kommentare

  • S.Mirli

    Ehrlich gesagt macht der Titel allein schon immens neugierig – was eher selten der Fall ist. Interessant finde ich, dass der Hauptcharakter selbst gar nicht in die Erzählung eingreift. Meist lese ich Geschichten aus der Ich-Form erzählt. Hmmmm, also irgendwie hast du mich gerade sehr angefixt, vor allem weil ich mir denke, bei 190 Seiten kann man nicht viel falsch machen. Wie praktisch, dass es da so eine gewisse Wishlist gibt. Ich wünsche dir ein grandioses letztes Adventwochenende, danke für den Tipp, alles, alles Liebe, x S.Mirli
    https://www.mirlime.at

  • Wonderful Fifty

    Lieber Markus, eine interessante Buchbeschreibung und gleich bei der Überschrift haben meine Gedanken Karrussel getanzt, worum es sich dabei handeln könnte. Da wir in unserer Familie seit fast zehn Jahren – also seit einer Zeit, als dieser Begriff bei uns noch nicht so geläufig war und es auch dementsprechend aufwändig gewesen ist, dieser Ernährungsform zu entsprechen – eine Veganerin in der Familie und dadurch ist mir dies vertraut. Aber was mich auch vor allem interessiert ist, eine Geschichte zu lesen, die zu keinem Zeitpunkt aus der Sicht der Hauptprotagonistin erzählt wird, die eigentlich nur von anderen Menschen getragen wird. Also, ein ruhiger Tag zum Lesen kann kommen.
    Hab einen wunderbaren Tag und alles Liebe Gesa

    • Nummer Neun

      Das Buch ist auch so kurz, dass man es durchaus mal versuchen kann. Aber ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die Geschichte hintenraus schon etwas skurril wird – und auch die Reaktionen auf ihre Ernährungsgewohnheiten anders sind, als ich es so in Europa mitbekommen habe.

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