Hans Fallada – Der Trinker (1950)
Bei Amazon habe ich eine Liste von Büchern gespeichert, die ich mal lesen möchte. Nun ist es aber so, dass diese Liste selten kürzer wird, sondern meist von irgendwoher ein Lesetipp einfliegt, den ich dann vorziehe und gleich lese. So war es nun auch bei Der Trinker von Hans Fallada. Eine alte Freundin, die früher noch regelmäßig gebloggt hat, heute aber nur noch einen Instagram-Kanal mit veganem Essen befüllt (und damit immerhin fünfstellige Abo-Zahlen erreicht hat), hat in einer ihrer Stories sehr von diesem Roman geschwärmt. Der Titel hatte ich mich angefixt und schwupps war er auch schon auf meinem Kindle. Hans Fallada schrieb den Roman 1944, veröffentlich wurde er schließlich 1950, erst nach seinem Tode.
Klappentext: Der Trinker erzählt die Geschichte einer Alkoholsucht vom harmlosen Viertel Wein bis zur Einlieferung in eine Heilanstalt. Autor Hans Fallada verfasste den Roman während einer Haftzeit, wobei er sich auf eigene Erfahrungen stützte. Es beginnt mit etwas Wein, um sich die unfreundliche Welt schön zu trinken – und bald kommt Erwin Sommer nicht mehr los vom Alkohol. Am Ende landet er in einer geschlossenen Heil- und Pflegeanstalt, wo ihm das Leben zur Hölle wird. Die Probleme seines Romanhelden waren Hans Fallada nur allzu vertraut. Der Trinker ist sein persönlichstes Buch.
Besonders die erste Hälfte des Romans ist ziemlich leichtfüssig geraten. Herr Sommer verfällt immer mehr dem Alkohol und nutzt jede Gelegenheit, um zu trinken. Er glaubt, er habe alles im Griff, er trinke nie zu viel und könne es vor allen anderen und besonders vor seiner Frau einfach verstecken. Er genießt die Leichtigkeit durch den Alkohol, hat vergnügte Stunden um Stunden und schließt oberflächliche Freundschaften. Er flüchtet vor den beruflichen und privaten Problemen, während andere seine Alkoholsucht für ihren eigenen Vorteil ausnutzen. Fallada erzählt diesen Teil ohne erhobenen Zeigefinger, ohne moralischen Belehrungen, so dass es für den Leser tatsächlich sehr vergünglich zu lesen ist. Das dicke Ende kommt erst dann, als die Situation mit seiner Frau eines Nachts eskaliert und sich sein Leben damit grundlegend ändert. Er wird erst in Untersuchungshaft und schließlich in eine Heilanstalt gesteckt, ohne dort gedanklich anzukommen – Sommer hält sich bis zum Schluß für etwas besseres, der nicht in diese Anstalten gehört und grenzt sich von seinen Leidensgenossen ab. In einer Mischung aus falscher Selbsteinschätzung und Einflüsterungen von anderen macht er seine Situation selbst immer schlimmer.
Erwin Sommer ist ein fleißiger Mensch aus dem gehobenen Bürgertums, der irgendwann den Boden unter den Füßen verloren hat und dann immer noch einen Schritt weiter geht, bis es kein zurück mehr gibt. Dem Roman selbst merkt man seine Zeit nicht an. Sprachlich ist das sehr modern und flott zu lesen, und würde an manchen Stellen nicht eine Datumsangabe stehen, gäbe es inhaltlich so gut wie keine Anhaltspunkte, um den Roman zeitlich einzuordnen
Spannend wird es, wenn man die Geschichte von Der Trinker mit der Biografie Falladas vergleicht. Er war selbst schwer Alkohol- und Morphiumsüchtig und verbrachte viel Zeit in Entzugsanstalten. Auch wurde er wegen versuchten Totschlags an seiner Ex-Frau angeklagt und eingesperrt: In dieser Zeit schrieb er auch diesen Roman. Schließlich starb er mit 53 Jahren an seiner Morphiumsucht.
Fazit: Ein zeitloser Roman über die Alkolhsucht und deren persönlichen und gesellschaftlichen Folgen, der überraschend unterhaltsam daher kommt.
Das war der letzte Beitrag vor Weihnachten in diesem Jahr. Ich wünsche euch trotz der Umstände ein schönes Weihnachtsfest, trinkt nicht zu viel, esst um so mehr und lassst es euch gut gehen und kommt zur Ruhe. Nach den Feiertagen erscheinen hier noch der Monats- und der Jahresrückblick und dann ist ja auch mal gut mit 2020.