Ferdinand von Schirach – Tabu (2013)
Mein sechster Roman in diesem Jahr war dieses Mal wieder ein eher kurzes Werk. Ich wollte den deutschen Schriftsteller und Strafverteidiger Ferdinand von Schirach mal testen. Ein Name, der in den letzten Jahren vermehrt durch die Medien geisterte, nachdem er die Vorlage für die (von mir ungesehenen) ZDF-Serien Verbrechen und Schuld schrieb, sowie in diesem Jahr für den Kinofilm Der Fall Collini, der ebenfalls auf einen seiner Romane basierte. Meine Wahl fiel auf Tabu, zu dem es noch keine Verfilmung gibt. [Die Kritik kann Spoiler enthalten.]
Klappentext: Sebastian von Eschburg verliert als Kind durch den Selbstmord seines Vaters den Halt. Er versucht, sich durch die Kunst zu retten. Er zeigt mit seinen Fotografien und Videoinstallationen, dass Wirklichkeit und Wahrheit verschiedene Dinge sind. Es geht um Schönheit, Sex und die Einsamkeit des Menschen. Als Eschburg vorgeworfen wird, eine junge Frau getötet zu haben, übernimmt Konrad Biegler die Verteidigung. Der alte Anwalt versucht, dem Künstler zu helfen – und damit sich selbst.
Richtig warm geworden bin ich mit Tabu nicht. Der Roman verspricht viel, aber hält wenig. Tabu als Titel? Folter beim Verhör? Wenn man die Auflösung am Ende liest, macht sich Enttäuschung breit. Nicht nur, weil die Auflösung sehr konstruiert klingt, sondern weil sie einfach unbefriedigend und für meinen Geschmack unglaubwürdig ist. Ein unfaires Ende. Aber nicht nur die finale Pointe irritiert, auch die Herleitung fühlte sich recht unrund an. Folgt der Leser im ersten Drittel des Buches noch dem Künstler Eschburg mit seiner nicht uninteressanten Lebensgeschichte, wechselt dann auf einmal die Perspektive und der Anwalt Biegler steht im Mittelpunkt, leider die unspektakulärere Figur der beiden. Erneut eine unbefriedigende Sache.
Man merkt allerdings, dass von Schirach vom Fach ist. Einzelne Aspekte des Falls sind schön zugespitzt und die Passage, in der Biegler mit dem Polizisten über die moralische Legitimierung von Foltern von Verdächtigen diskutiert, ist so ziemlich die spannendste des Romans. Die moralischen Zwickmühlen der Justizerei scheinen ja eh sein Markenzeichnis zu sein, wenn ich die Kritiken der Serie noch richtig im Kopf habe, das beherrscht er auch hier gut. Sein Schreibstil ist sprachlich direkt und kommt ohne Umwege auf den Punkt. Da gibt es keine unnötigen Verkünstelungen, was recht angenehm zu lesen. Hätte sich der gute Mann nur bei der Story nicht so verhoben. Schade, aber vielleicht hat er es ja in seinen anderen Werken besser hinbekommen.