Was mit Medien

Die Blechtrommel

Es ist geschafft! Nach monatelangem Kampf bin ich mal wieder mit einem Buch durch, den vielen Bahnfahrten zuletzt sei Dank. Daher gibt es nun endlich einen neuen Griff in die Bücherkiste.Als im vergangenen Jahr Günter Grass starb, wurde mir bewußt, dass ich von einem der renommiertesten deutschen Schriftsteller, immerhin war er Nobelpreisträger, noch nie irgendetwas gelesen hatte. Besonders Die Blechtrommel ist ja so ein Werk, von dem jeder schon mal gehört hat, und vielleicht auch die Grundgeschichte kennt, aber man sich ja trotzdem nicht so unbedingt ran traut. Ich bekam den Roman zu Weihnachten geschenkt, fing Ende Mai an zu lesen und war nun endlich, Anfang Oktober, damit fertig. 770 Seiten, bäm!

Oskar Matzerath empfängt uns als Mitte Dreißigjähriger in seiner Zelle in einer Heil- und Pflegeanstalt. Von hier aus erzählt er uns seine Lebensgeschichte. Er erblickt in Danzig das Licht der Welt und erhält zu seinem dritten Geburtstag eine Blechtrommel. Angewidert von der Welt der Erwachsenen beschließt er, nicht mehr weiter zu wachsen. Und damit nicht genug, er merkt auch, dass er mit seiner Stimme Glas zersingen kann. Oskar erzählt uns von seiner Kindheit in Danzig, seiner ersten großen Liebe, den Irrungen des Krieges, seine Rolle als Unterhalter der Soldaten und schließlich von seiner Umsiedlung nach Düsseldorf, wo er sich ein eigenes Leben als Musiker und Gelegenheitsarbeiter aufbaut. (Die Kurzfassung des Romans kann man sich hier mit Lego-Figuren ansehen, falls es auf der nächsten Party mal eng wird mit dem Gesprächsstoff.)

Ich muss zu geben, ich habe mich ziemlich durch quälen müssen. Das ist ein richtiger Schinken. Und Grass‚ Erzählweise alles andere, als auf den Punkt. Er kann sehr ausufernd werden und auch das letzte Detail noch erzählen. An manchen Stellen neigt er dazu, sprachliche Mittel auszuprobieren, und z.B. Wiederholungen über ganze Seiten hinweg zu ziehen. Als würde er sich einfach mal ausprobieren wollen. Und das in dieser episodenhaften Erzählung nicht jeder Episode überzeigen kann, versteht sich von selbst.

Auf der anderen Seite schafft er es sehr gut, die Welt des Romans zu erwecken. Man wird mitgenommen in die kleinbürgerliche Welt zu Zeiten des Krieges und erfährt einiges über die gesellschaftlichen Entwicklungen der Epoche. Man könnte sagen, was Forrest Gump ausgezeichnet hat, hat Grass in bescheidenerem Rahmen schon 1959 gemacht. Und uns dabei mit Oskar eine wirklich bemerkenswerte Figur geliefert. Der Gegensatz zwischen Oskars altklugen Erzählungen und seinem kindlichen Äußeren könnte größer kaum sein. Dazu bietet der Roman viele einprägsame Ereignisse – ich sage nur der Pferdekopf mit den Aalen, das Brausepulver, die Nonnen am Atlantikwall oder der Zwiebelkeller – und unterhaltsame Episoden. Und durch seine direkte Art brach das Buch zu seiner Zeit wohl so einige Normen.

Habe ich Die Blechtrommel nun gerne gelesen? Teilweise habe ich es echt gehasst und musste mich zwingen, weiter zu lesen. Belohnt wurde ich dafür mit einer Geschichte, an die ich mich mit Sicherheit noch in einigen Jahren erinnern werde.

Um das Leseerlebnis würdig abzuschließen, habe ich mir danach die Oscar-prämierte Verfilmung von Völker Schlöndorff aus dem Jahre 1979 angesehen. Die 142 Minuten behandeln dabei nur ca. 2/3 des Buches und brechen mit der Umsiedlung ab. Auch wird auf die Rahmenhandlung in der Heilanstalt verzichtet. Er gab ja auch so genügend zu erzählen.

Der Film fasst den Roman gut zusammen und bebildert viele der Schlüsselszenen überzeugend. Allerdings geht dem Film Oskars (David Bennent) altkluge Art etwas ab, es ist teilweise schwer, in ihm mehr als ein Kind zu sehen. Mario Adorf überzeugt als leicht naiver Vater von Oskar, Katharina Thalbach spielt die erste junge Liebe. Als Verfilmung ist der Streifen gut, ob man an ihm auch ohne Kenntnis des Buches Spaß hat, kann ich nicht beurteilen.

Das war Buch Nummer 4 in diesem Jahr. Das nächste geht hoffentlich etwas schneller, ich muss nur noch das geeignete auswählen.

7 Kommentare

  • ide02

    🙂 🙂 🙂 Das ist wirklich lustig: Ich kann ähnliches von „Der Blechtrommel“ berichten. Es war bei mir so, dass ich das Buch (Jahre her…) begann zu lesen und einfach nicht rein kam. So war es das erste und bisher einzige Buch, was ich zunächst nicht durchlas, sondern wieder unfertig ins Bücherregal stellte. Ein, zwei Jahre später wollte ich „Der Blechtrommel“ noch einmal eine Chance geben und habe es tatsächlich geschafft es durchzulesen. Aber Fazit war bei mir: Auf der einen Seite irgendwie total langatmig und schon sehr pervers, aber auf der anderen Seite ist der Hintergrund der Geschichte sehr interessant und kann einen, wenn man sich auf die Geschichte als solche einlässt, mitnehmen. Ein seltsames Buch irgendwie… 😉 Aber gerade deswegen ist mir das Buch auch im Kopf geblieben.

  • ide02

    Ich weiß, hat nichts mit dem Thema „Blechtrommel“ zu tun ;-), aber rate mal, wer gestern Staffel 6 von Walking Dead angefangen hat zu schauen?! :-p Endlich ist sie auch bei Netflix raus… 🙂

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