Kill Your Friends
Steven ist A&R Manager einer Plattenfirma Ende der 90er. Für seine Firma ist er immer auf der Suche nach dem nächsten Hit, dem nächsten großen Ding. Doch leider hat er für Musik nicht das richtige Gespür. Das richtige Näschen hat er eher für Sex, Drugs & Rock’n’Roll. Als sich der Wind in der Firma dreht und er langsam unter Druck kommt, dreht er durch und ermordet seinen schärfsten Rivalen. Langsam gerät sein Leben außer Kontrolle.
[…] und ich treffe ihn genau auf den Scheitel. Dieses Mal ertönt ein nachgebendes Krachen, und seine Schädeldecke bricht ein. Ein Strahl Blut sprüht aus seiner Nase, er kippt vornüber, fällt auf die Seite und bleibt zuckend am Boden liegen. (S. 142)
Keine leichte Kost, die John Niven – früher selbst in einer Plattenfirma beschäftigt – hier auftischt. Teilweise schießt er dabei aber über das Ziel hinaus und ergibt sich in (hoffentlich) übertrieben Drogen- und Sex-Exzessen. Zu Recht ist sein Debutroman in der Heyne Hardcore Reihe erschienen. Ging es wirklich so zu in der Blütezeit der Plattenlabels?
„Mach es lauter!“ brülle ich Darren an. Er dreht die Anlage voll auf, und wir singen und schreien alle miteinander: „All my people right here right now“ Ich habe es durchgestanden und alles ist wieder gut. Verdammt, ich liebe das neue Oasis-Album. Ein Meisterwerk. 360.000 Einheiten, die am Erstverkaufstag über die Theke gehen. Dagegen kann niemand was sagen, oder? (S. 257)
Sieht man von diesen Ausschweifungen ab, bleibt ein interessanter Roman, der einem nicht unbedingt mit der egoistischen Hauptfigur mitfiebern lässt, aber die Spannung immer so weit aufrecht erhält, dass man wissen möchte, wie es weitergeht. Kommt Steven mit seiner Masche durch oder wird er von dem biederen Polizisten mit dem Traum der Plattenkarriere überführt? Wer behält in der Firma Oberwasser, der Partyhengst oder der kalkuliert arbeitende Kollege? Und kann er tatsächlich mal wieder einen Hit landen?
Deshalb steh ich drauf, mit echten Pop-Acts zu dealen. Es ist so erfrischend aufrichtig. Irgendein schmieriger semipädophiler Manager kommt mit drei 15-jährigen Schlampen im Arm in dein Büro. Eine ist dämlicher als die andere und sie sagen: „Wir möchten berühmt werden und haufenweise Geld verdienen.“ […] Womöglich muss ich mir nachher die obligatorische Diskussion darüber anhören, ob wir einer von ihnen im Photoshop die Brüste bearbeiten, damit sie größer oder knackiger aussehen. Dafür muss ich aber ganz bestimmt nicht um drei Uhr morgens in irgendeiner verdreckten Bude hocken, mir atonale B-Seiten anhören und über Tom Verlaines Gitarrensoli quatschen. (S. 175)
Schließlich zieht der Roman seinen Reiz auch aus dem Blick hinter die Kulissen der Plattenlabels, wie glaubwürdig und realistischer der auch immer ist. Auch der Nostalgiefaktor ist nicht zu verachten, spielt der Roman doch in England zur Blütezeit des Britpop und man freut sich über die kleinen und großen Anspielungen auf Oasis, The Verve und die Spice Girls. Wer sich etwas für Musik interessiert und sich von den deftigen Passagen nicht abschrecken lässt, sollte durchaus mal einen Blick auf dieses Buch riskieren.
Der Radiohead-Track, der „Paranoid Android“ heißt, mündet über ein entsetzliches Crescendo aus gekünsteltem Lärm in ein undefinierbares Finale, über das dieses mongoäugige Arschgesicht Thom York die Worte „rain down“ blökt und trällert. Was, zum Teufel, haben die sich bei diesen Schwachsinn gedacht? Sie sind am Ende. Kein Schwanz wird das hören wollen. (S. 152)
So, und ich riskiere jetzt einen Blick auf die neue alte Harald Schmidt Show. Schönen Abend noch.