Neun Punkte über die Bundesliga 2020/2021
Abpfiff! Die Saison 2020/2021 ist beendet. Zum Abschluß gab es noch einmal ein dramatisches Wochenende mit großen Emotionen auf den Plätzen. Es war eine Saison, die wohl noch länger in den Köpfen bleiben wird – nicht unbedingt wegen des Meisters, aber wegen des Rekordes von Robert Lewandowski, und wegen dem Bild, an das wir uns nicht gewöhnen wollen: Leere Stadien. Die ganze Unwirklichkeit dieser Situation gipfelte in den Szenen nach dem Abpfiff bei Werder Bremen. Der Abstieg dieses Traditionsvereines stand fest und man hörte: Nichts.
1.) Der verdiente Meister kommt aus München
Der FC Bayern München sicherte sich die neunte Meisterschaft in Folge und das ist so verdient wie lanweilig. Verdient, weil sie die besten Spieler und einen der besten Trainer haben, die zusammen dafür sorgen, dass das Team kontinuierlich ihre Leistung bringt und sich kaum eine längere Schwächeperiode leistet, nicht einmal innerhalb eines Spieles. Langweilig, weil wenig dagegen spricht, dass in der kommenden Saison der zehnte Titel in Reihe dazu kommt. Die besten Spieler hatten sie schon immer, was diese Generation aber auszeichnet ist, dass sie auch von Anfang bis Ende durchziehen und nie satt werden. Während andere Favoriten gerne mal lustlos bei Abstiegskandidaten stolpern, rennen bei den Bayern alle Spieler bei Ballbesitz mit nach vorne und bei Ballverlust alle wieder nach hinten. Selbst eine schwächere Defensivleistung wie in dieser Saison fällt nicht groß ins Gewicht, wenn man vorne 99 Tore erzielt (im Vorjahr waren es 100). Überspitzt gesagt, könnte man auch einen Berggorilla als Trainer auf die Bank setzen und sie würden wahrscheinlich trotzdem Meister werden. Stattdessen ist es in der nächsten Saison mit Julian Nagelsmann einer der besten Trainer des Landes. Alles andere als Titel Nummer Zehn in Folge wäre daher eine große Überraschung. Wenigstens hat es mit dem FC Bayern II die zweite Mannschaft erwischt und steigt aus der 3. Liga in die Bayernliga ab.
2.) Die Rückkehr der Torjäger
Spricht man über den FC Bayern in dieser Saison, spricht man natürlich auch über Robert Lewandowski und seine unglaublichen 41 Treffer! Alle 60 Minuten hat er in dieser Saison ein Tor erzielt und sich in der allerletzten Minute der diesjährigen Spielzeit den Rekord für die Ewigkeit gesichert. Gerd Müller kam in seiner Rekordsaison 1971/1972 auf 40 Treffer, allerdings ohne Elfmetertor (trotz dreier Versuche), während Lewandowski nun acht Mal vom Punkt traf. In der ewigen Torschützenliste liegt Müller aber noch mit 88 Treffern vor Lewandowski. Das bedeutet, er müsste noch ungefähr drei weitere Jahre auf diesem Niveau spielen, um sich diesen Rekord auch noch zu sichern. Neben ihm ging etwas unter, dass in der Bundesliga auch noch eine ganz Reihe weiterer Spieler getroffen hat wie am Fließband: Andre Silva (Eintracht Frankfurt) 28 Treffer, Erling Haaland (Borussia Dortmund) 27 Tore, Andrej Kramaric (TSG Hoffenheim) und Wout Weghorst (VfL Wolfsburg) je 20 Treffer. Das alles hätte in einigen anderen Jahren sicher zur Torjägerkanone gereicht. Der Trend zur Einzelspitze (und damit das Ende der sogenannten „falschen Neun“, die ich ja persönlich total abgelehnt habt) sei Dank. Von den Top 5 Teams hatte nur RB Leipzig keinen echten Torjäger – den hatten sie mit Timo Werner (28 Tore in der letzten Saison) im vergangenen Sommer verkauft, dafür stellten sie die beste Abwehr der Liga.
3.) Überraschungen sind möglich: Der FC Schalke 04
Nicht gut für den FC Schalke 04: Innerhalb von drei Jahren ging es von Platz 2 bis runter auf den letzten Tabellenplatz. Gut für die Bundesliga: Niemand ist zu groß, um tief zu fallen. Wobei der Fall von Schalke wohl schon ein spezieller ist, mit seiner Mischung von verfehlter Transferpolitik und mangelnder Konstanz auf der Trainerposition – und das beides über Jahre hinweg – was dann schließlich in einen Abwärtsstrudel geführt hat, aus dem sich der Verein nicht mehr befreien konnte, sondern hoffnungslos unterging. Aber manchmal scheint es einfacher zu sein, seine begrenzten Mittel zielgerichtet einzusetzen (siehe Union Berlin, SC Freiburg), als das Geld mit der Gießkanne ausschenken zu können (siehe ebenjener FC Schalke 04, oder auch Hertha BSC). Der zweite direkte Absteiger Werder Bremen hat dagegen seit Jahren erfolgreich darauf hingearbeitet. Zu den positiven Überraschungen gehören in dieser Saison mit Sicherheit Union Berlin und der VfB Stuttgart, aber auch Arminia Bielefeld, die sich den Klassenerhalt am letzten Spieltag verdient haben.
4.) Das Trainerkarussell dreht sich weiter, aber die Steuerung wechselt
Das die meisten Bundesliga-Trainer besser keinen langfristigen Mietvertrag unterschreiben sollten ist ja bekannt. Auch in dieser Saison gab es einige Trainerentlassungen, von denen sich nicht alle als eine Wende zum guten entpuppten. Die besseren in dieser Saison waren der Wechsel auf Bo Svensson bei Mainz 05, die Installierung von Edin Terzić bei Borussia Dortmund und die Rückholaktion von Pál Dárdei bei Hertha BSC. Als eher schlechtere Idee zeigte sich der Wechsel von David Wagner auf Manuel Baum auf Christian Gross auf Dimitrios Grammozis bei Schalke 04. Neu ist aber in dieser Saison, dass die Trainer selbst das Karussell anstoßen, ihre Karriereplanung aktiv in die Hand nehmen und sich von ihren neuen Vereinen aus dem Vertrag kaufen lassen. Ablösen für Trainer halte ich prinzipiell für eine gute Sache, das Geld ist mit Sicherheit besser angelegt als eine Millionenablöse für irgendwelche No Name Spieler mit 12 Bundesliga-Einsätzen. Nun könnte es aber zu der kuriosen Situation kommen, sollte Oliver Glasner beim VfL Wolfsburg ebenfalls aufhören, worauf die Gerüchteküche zur Zeit hindeutet, dass dann von den acht besten Teams in dieser Saison bei sieben Stück in der kommenden Sommerpause ein neuer Trainer übernimmt. Lediglich Urs Fischer wird bei Union Berlin weiter auf der Bank sitzen. Bei diesen sieben sich anbahnenden Trainerwechsel hätten mit Flick, Nagelsmann, Glasner (wenn es so kommt), Hütter und Rose gleich fünf ihren Abschied selbst angekündigt.
5.) Die Bundesliga-Elf der Saison 2020/2021: Vorne Bayern, hinten Leipzig
Meine Elf der Saison ist unrealistisch offensiv ausgerichtet und tritt im 4-3-3 an. Mittelfeld und Sturm wird mit Lewandowski, Müller und Kimmich vom 99-Tore FC Bayern dominiert, während in der Abwehr mit Angelino und Orban RB Leipzig den Ton angibt. Dazu kommt auf der linken Seite das Silva / Kostic Duo von Eintracht Frankfurt. Komplettiert wird der Sturm vom norwegischen Riesen Haaland von Borussia Dortmund. Die Abwehr wird vervollständigt vom Mönchengladbacher Ginter und Ridle Baku vom VfL Wolfsburg auf der rechten Seite. Den Platz im Tor hat sich Ortega von Arminia Bielefeld gesichert. Betreut wird das Team von Trainer Svensson vom FSV Mainz 05.
6.) Die zweite Bundesliga ist die nationale Super League
Die interessanteste Fußball-Liga des Landes ist die zweite Bundesliga, das ist ja wohl keine Frage. Auch in dieser Saison zeigte sie sich von ihrer besten Seite. Es ist eine Liga, in der jeder jeden schlagen kann. Hier weiß man vor der Saison wirklich nicht, wie sie am Ende ausgehen wird. Selbst der Meister VfL Bochum hat sich neun Saisonniederlagen eingefangen und der dritte, Holstein Kiel, hat den direkten Aufstieg verspielt, weil sie die letzten beiden Spiele verloren haben. Vom Hamburger SV ganz zu schweigen, der nun bereits im dritten Jahr in Folge es nach einer guten Hinrunde nicht geschafft hat, auf einem Aufstiegsplatz zu bleiben. Rauf in die erste Liga geht es traditionell nicht (unbedingt) für die Teams mit den besten Spielern, sondern für die Mannschaft mit der besten Moral und dem höchsten Einsatz, wie z.B. die SpVgg Greuther Fürth. Und das Line-Up für die nächste Saison wird noch einmal einen draufsetzen, wenn sich der FC Schalke 04, Werder Bremen, Dynamo Dresden und Hansa Rostock zum HSV, dem 1. FC Nürnberg, FC St. Pauli, Hannover 96 und dem KSC gesellen werden. Dazu gibt es die kleinen, bunten Farbtupfer wie der 1. FC Heidenheim, SV Sandhausen oder Erzgebirge Aue, die einfach dazu gehören. Ganz ehrlich: Kaum ist die alte Saison vorbei gegangen, freue ich mich hier schon auf die neue. Und die zweite Liga hat auch für die TV Junkies einen Vorteil: Hier kann man wirklich alles bei Sky sehen und braucht keinen zweiten Anbieter dafür. Und Sky setzt hier den TV-Experten des Jahres ein: Torsten Mattuschka.
7.) Eine sorgenfreie Saison für den Karlsruher SC
Nach der erschreckend knappen Rettung vor dem Abstieg in die dritte Liga in der vergangenen Saison gelangte dem KSC eine erfreulich sorgenfreie Saison, sowohl auf als auch außerhalb des Platzes. Rund um den Platz wuchs das neue Stadion immer weiter an und sieht mit seinen beiden fertiggestellten Tribünen schon sehr nach Stadion aus, eingebettet in einen zusammenhängenden Komplex mit weiteren Traingsplätzen, der Geschäftsstelle und den Nachwuchsteams. Da entsteht was! Auf den Platz sorgte Christian Eichner als Chefcoach in seiner ersten, kompletten Saison für ein Team, dass immer für eine Überraschung gut war und nur selten enttäuschte. Ihm gelang es, die Abhängigkeit im Angriff von Philipp Hoffmann etwas zurück zu schrauben und damit insgesamt torgefährlicher zu werden. So wurde es die erfolgreichste Saison seit 2014/2015 mit der verfluchten Relegation. Spieler der Saison: Marius Gersbeck in seinem ersten Jahr als Stammtorhüter.
8.) Der DfB-Pokal ist ohne die Bayern am spannendsten
Ungeahnte Spannug entwickelte sich in dieser Saison im ehrwürdigen DfB-Pokal. Der mächtige FC Bayern schied schon recht früh und überraschend gegen Holstein Kiel aus dem Pokal aus, in einem dieser Spiele, an die man sich noch Jahre später erinnert. Ohne den großen Favoriten schafften es der zweit- und der drittbeste Verein ins Finale, das dann Borussia Dortmund gegen RB Leipzig hieß und die Ruhrpöttler dank ihrer Jungstars Haaland und Sancho verdient gewannen und für Trainer Terzić den Höhepunkt und das Ende seines Cheftrainer-Intermezzos wurde.
9.) Relegation abschaffen
Nerven von Spielern und Anhängern werden hier Jahr für Jahr unnötig und dauerhaft geopfert zu Gunsten einer Schlagzeilen generierenden Veranstaltung. Die Arbeit eines ganzen Jahres hängt von nur noch zwei Spielen ab, deren Ausgang den individuellen Fehlern von Spielern und Schiedsrichtern ausgeliefert ist. Und im Gegensatz zum Pokal oder zu den Turnieren der Nationalmannschaften kann man in diesen Alles-oder-Nichts-Spielen nicht nur etwas Gewinnen, sondern auch ziemlich viel Verlieren. In diesem Jahr haben der 1. FC Köln und Holstein Kiel die fragwürdige Ehre, um den letzten freien Platz in der nächsten Bundesliga-Saison zu spielen, sowie der VfL Osnabrück und der FC Ingolstadt 04, die um die Teilnahme der schon jetzt legendären nächsten Zweitligasaison kämpfen.
Und damit zurück in die angeschlossenen Funkhäuser.